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Joggen mit einem Bein

■ Nach Skateboards und Rollerblades sollen Roller der sausende Trend werden

Die blauen Augen weiten sich und strahlen, glückselig lächelt er den roten Roller an. „Das ist ja ein dolles Ding“, sagt der Mann im Rentneralter. Der geschwungene Stahlrahmen glänzt rot-metallic, das Trittbrett silbern. Kaufen würde er sich den Tretroller für Erwachsene aber nicht. „Ich habe da keine Verwendung für“, sagt er und schmachtet nochmal den Roller an.

„Dies ist ein neuer Versuch“, sagt der Fahrrad-Verkäufer eines Bremer Kaufhauses. Vor sechs Jahren hatte die Warenhauskette schon einmal probiert, Erwachsenen Roller zu verkaufen. „Das ging nach hinten los“, sagt der Verkäufer. Mitten im Mountain-Bike-Boom wollte niemand rollern.

Seit einem Monat bietet das Kaufhaus wieder drei verschiedene Roller mit 26 Zoll-Rädern an. Zwischen 450 und 650 Mark sollen die Tretroller kosten. Sie sind zwischen 1,50 und 1,80 Meter lang, 1,20 Meter hoch und somit groß genug für Menschen jenseits der Kindheit. Verkauft hat das Warenhaus bislang nicht einen einzigen. Dabei entsprechen die Modelle mit Schutzblech, Licht und Mittelzugbremse sogar der Straßenverkehrsordnung. Im Gegensatz zu Fahrrädern unterliegen ihr Roller nicht. Sie gelten als Spielzeug. Mehr als zwei Räder, Trittbrett und Lenker bräuchten sie nach deutschen Gesetzen nicht.

Deswegen dürfen Roller durch Fußgängerzonen fahren, was Roller-Promoter als besonderen Vorteil sehen. In Innenstädten könnten die Menschen schnell zwischen Büro und Mittagstisch hin und her zischen. Auf Messen und Flughäfen seien Geschäftsleute mit dem Roller schneller am Ziel, zum Supermarkt um die Ecke gelangt der Hausmann nun auch rollend.

Belustigt schauen die PassantInnen an der Kreuzung Humboldtstraße und Am Dobben auf die Frau mit Roller. Schweißperlen stehen ihr auf der Stirn. Rollern ist wie joggen mit einem Bein: Langsam und anstrengend. Mit beiden Händen muß der hohe Lenker umfaßt sein, sonst schlägt das Vorderrad während der Fahrt aus. Kantsteine und Bodenwellen lassen das kleine 16 Zoll-Rad ebenfalls wackeln, Kurven dürfen nur im Schrittempo gefahren werden. Von der Humboldt- in die Feldstraße ermüdet das linke Tretbein, mit dem auch noch das Hinterrad gebremst wird. Virtuoses Wechseln des Standbeins gelingt im Schwung, doch geraten Fahrerin und Roller auf dem Kopfsteinpflaster in bedenkliche Schräglage. Das rechte Bein ist ungeübt im balancierenden Einzellauf.

„Für Erwachsene ist Rollern ein Ausflug in die Kindheit“, sagt Christoph Behnke von „Radschlag“. Vor einigen Wochen war eine Frau in den Fahradladen gekommen und hatte sich auf den einzigen Roller gestürzt. Sie drehte einige Runden im Laden und fing an, Kinderlieder aus ihrer polnischen Heimat zu singen. Gekauft hat sie den Roller nicht. In den vergangenen anderthalb Jahren hat Radschlag gerademal zwei Roller an die fahrradbegeisterten BremerInnen gebracht. „Der Bremer ist doch eher bieder“, sagt Behnkes Kollege und glaubt nicht an einen kommenden Roller-Boom.

In den USA sollen die Rollerbikes dagegen schon ganz hip sein. Nach Skateboards und Rollerblades haben die Kids der HipHop-Generation den Roller entdeckt. Und auch in Deutschland sollen Skater in Zukunft auf dem Roller in der Halfpipe kurven, Raver und Techno-Freaks mit dem Roller von Party zu Party schweben.

„Unsere Roller sind speziell für Kids, die crazy sind“, sagt Pia Puljanic von „Rollerbyke“ in Bad Reichenhall. Mit vier anderen „begeisterten Rollerfahrern“ läßt sie Roller in China produzieren. Seit März haben sie rund 1.000 selbst entworfene Roller an die Zielgruppe Jugendliche verkauft. „Das wird der Trend – wie Inline-Skating“, sagt Puljanic.

Bislang vermarktet Rollerbyke nur die Stadtversion für 400 Mark. In einigen Wochen soll dann der Mountain-Roller ins Gebirge geschickt werden. Einen Prototypen haben die Rollerbyker schon beim Rennen in Hintertux ausprobiert. Mit 145 Stundenkilometern war er fast genauso schnell wie Fahrräder. 1.500 Mark soll der Roller kosten und ist somit schon so teuer wie ein gutes Mountain-Bike. Doch nach Meinung von Puljanic mit einem entscheidenden Vorteil: „Mountain-Biker stört beim Bergabfahren der Sattel.“

Ulrike Fokken

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