: Solarzellen retten Menschenleben auf Kuba
■ Ein Berliner Verein bringt Schülern alternative Energien nahe und finanziert Stromanlagen für Ärztehäuser: Das Ende der Behandlung bei Kerzenlicht
Berlin (taz) – Wenn Carlos Rodriguez Reyes nachts dringend eine Platzwunde nähen mußte, blieb dem Arzt nur noch eins: Kerzen anzünden. Denn bis vor einem Jahr gab es in der Praxis des kubanischen Ortes El Yarey keinen Strom. Das „Consultorio“ liegt rund 100 Kilometer westlich der Stadt Santiago de Cuba in der Bergregion Sierra Maestra – zu weit entfernt vom nächsten Kraftwerk, als daß der kubanische Staat eine Überlandleitung legen würde. Die Mitarbeiter des Berliner Vereins zur Förderung alternativer Energien in der Karibik (KarEn) lösten das Problem: Sie mobilisierten rund 9.000 Mark für eine Solarzellenanlage, die in El Yarey installiert wurde. Ungefähr eine halbe Million Mark haben die KarEn- Mitglieder schon zum Beispiel für Sonnen-, Wind- und Wasserenergieprojekte nach Kuba geschickt und vermittelt.
Dazu gehören unter anderem 27 staatliche Ärztehäuser in drei östlichen Provinzen Kubas. „Jetzt können die Kubaner dort auch zu Zeiten der Dunkelheit behandeln und empfindliche Medikamente besser kühlen“, sagt Markus Rostan, stellvertretender Vorsitzender von KarEn. Er und seine Vereinskollegen suchen die Spender, die die Solarzellen, Batterien, Neonröhren und so weiter bezahlen. Meist sind es Gruppen wie „Solidaritätsdienst International“, „Antifa Treptow“ oder „CubaS Dresden“. Aber auch ein Fördervertrag mit der holländischen Botschaft in der kubanischen Hauptstadt Havanna steht kurz vor dem Abschluß.
Gerade für die kleineren Gruppen ist es laut Rostan wichtig, daß die Ärztehäuserprojekte „schön konkret“ seien. „Mit relativ wenig Aufwand kann man dort eine große Wirkung erreichen.“
Wie wichtig die Solaranlagen sind, hat der KarEn-Mitarbeiter in Kuba selbst gesehen: Er erzählt von einem umgekippten Lastwagen, der eine Frau unter sich begrub: „Weil es kein Telefon in der Praxis gab, mußte jemand mit einem Maultier in die Stadt reiten, um Hilfe zu holen. Das hat einen Tag gedauert. Da war die Frau schon tot.“ Per Funk könnte der Arzt vor Ort zum Beispiel bei solchen Unfällen oder Geburtskomplikationen schnell einen Krankenwagen rufen.
Die Ärztehäuser sind die erste Anlaufstelle im Gesundheitssystem Kubas. Ihr „Medico de la familia“ (Familienarzt) ist für jeweils 300 bis 1.000 Personen zuständig. Das bedeutet, daß in jedem größeren Dorf und jedem Stadtteil ein Familienarzt arbeitet. Er näht zum Beispiel Platzwunden, behandelt leichte Krankheiten, betreut Schwangere oder impft seine Schützlinge. Alle diese Leistungen sind für die Kubaner kostenlos. Jetzt, da das Land auf die Wirtschaftshilfe des zusammengebrochenen Ostblocks verzichten muß, sind jedoch viele Medikamente nur noch gegen harte US-Dollars erhältlich.
Die Ärztehäuser sind nur eines der KarEn-Projekte: Zusätzlich haben sich die Vereinsmitarbeiter um die Finanzierung zum Beispiel der Warmwasseranlage im Krankenhaus „Calixto Garcia“ in Havanna gekümmert (Kostenpunkt: Rund 100.000 Mark). Außerdem lassen sie die Windstärken in Kuba für künftige Generatoren messen. Das Land Brandenburg hat auf Antrag von KarEn dafür ebenfalls fast 100.000 Mark bezahlt.
Zur Zeit plant der als gemeinnützig anerkannte Verein unter anderem, ein Schulbuch drucken zu lassen. Es soll den kubanischen Schülern alternative Energien näherbringen. Weiterhin werden 1996 – so plant es die Organisation – 14 weitere Ärztehäuser ein kleines Sonnenkraftwerk erhalten.
All das leisten die Vereinsmitglieder überwiegend ehrenamtlich. Warum? „Für mich persönlich zählt, daß es nicht reicht, sich nur in Deutschland für regenerative Energien zu engagieren. Schließlich ist das Energieproblem global“, antwortet Rostan. „Mit der Arbeit unterstütze ich Leute, die eine vernünftige Politik machen und so das System von innen verändern wollen.“ Jost Maurin
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