: „40 Minuten Fußweg“
Ab Sonntag gilt der neue Sommerfahrplan der Bahn. Erstmals gibt's per CD-ROM europaweit die seltsamsten Verbindungen zu erkunden ■ Von Bernd Müllender
Am Sonntag beginnt der Sommerfahrplan der Bahn. Er gilt diesmal nur bis zum 28. September, bis dahin ändert sich laut Bahn nicht viel. Erst dann sind einige Baustrecken fertig und wirken sich stärker für die Kunden aus: Verbindungen wie Hamburg-Frankfurt werden ab Herbst per Intercity oder ICE im Stundentakt befahren. Auch die Exinsel Berlin wird besser angebunden. Die Strecke Braunschweig–Berlin reißt der ICE in weniger als zwei Stunden runter.
Spannender als das Kursbuch ist das Blättern im neuen „Elektronischen Kursbuch“ auf CD-Rom. Das Gute vorweg: Es bietet für 29,90 Mark deutlich mehr Informationen als die Papierversion: Mit 30.000 Bahnhöfen und 160.000 Zügen dreimal soviel Eckdaten wie bisher – das komplette Netz der Bahn AG, den Verkehrsverbund Rhein-Main und Tausende von Auslandsbahnhöfen dazu, davon in Nachbarländern sogar viele Kleinstädte. Und alles ist trotz dürrester Anleitung leicht bedienbar. Zu jeder Verbindung gibt es eine Reihe sinnvoller wie sinnarmer Zusatzinformationen und -funktionen: Bestellfax-Software für Tickets, Lagepläne für Dutzende von Bahnhöfen und optische Aufbereitung der Reisestrecke.
Erfreulich, daß jetzt auch alle Zugverbindungen für die „Schönes Wochenend“-Fahrscheine per Klick auffindbar sind: So kann man tatsächlich zu fünft für 35 Mark von Emden nach Dresden in 12 Stunden bummelbahnen oder in 14 Stunden von Cottbus nach Sylt. Dorthin kann es der Tölzer indes nicht schaffen: 26 Stunden im Umsteigeakkord für einen Weg mit 116 Haltebahnhöfen sprengen die Gültigkeitsdauer – jedenfalls, wenn man noch zurück will.
Umgelernt hat die Bahn bei den Umwegverbindungen. Früher wurden oft, auch in Reisebüros und an Bahnschaltern, nur Routen mit Renommierzügen angepriesen. Die fuhren Umwege, waren aber bei gleicher Reisedauer teilweise deutlich teurer. Klassisches Beispiel ist Aachen–Amsterdam: Einmal über die nahe westliche Grenze nach Heerlen oder umständlich nach Osten über Köln und dann mit dem teuren Eurocity über den nördlichen Grenzübergang Emmerich. Vorteil für die Deutsche Bahn bei Variante 2: sie kassiert beim Normaltarif hin und zurück rund hundert Mark extra. Auf der neuen CD-Rom sind jetzt beide Alternativen eingespeist.
Die Bahn wäre nicht die Bahn, gäbe es da nicht noch Skurrilitäten und Ungereimtheiten. Im Display heißt das Werk „Kursbuch 1996/97“, obwohl es schon Ende September 1996 Makulatur ist. Die lang erhoffte Zusatzfunktion „Züge nur mit Fahrradmitnahme“ verdient nur ein Lob, bis man sie probiert – Ergebnis dann: null Züge bundesweit. Offenbar ein Programmierfehler, denn mit ein paar selbst zusammenkombinierten Zusatzklicks sind die Radzüge doch herausfilterbar.
Für jede Zugverbindung, die einen einzigen Streckenkilometer Auslandsschiene streift, gilt: „Preisauskunft nicht verfügbar.“ Besonders apart alle Umsteigeaktionen in Städten ohne Zentralbahnhof, etwa Paris: Als wäre die Metro noch nicht erfunden, steht da zwischen allen Kopfbahnhöfen, etwa von Gare du Nord nach Gare de Lyon: „Fußweg 40 Minuten.“
CD-Rom Elektronisches Kursbuch: DB-Bestellcenter Troisdorf, Tel 02241-947777, Fax 947799.
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