: Macht das Krankenhaus krank?
■ Hygienetag am ZKH St. Jürgen klärte über Kampf gegen Krankheitserreger auf
Daß die griechische Göttin der Gesundheit Hygieia hieß, leuchtet ein. Denn schließlich wissen wir seit Dr. Semmelweis, daß Hygiene ansteckende Krankheiten verhindert. In der öffentlichen Diskussion fragen sich viele in der letzten Zeit aber immer wieder, ob Krankenhäuser tatsächlich so sauber sind, wie sie sein sollten. Ob das nur ein Gerücht ist, konnte jeder Interessierte am Samstag im Zentralkrankenhaus St. Jürgen auf einem Informationstag zum Thema Krankenhaushygiene selbst prüfen. Vorträge, Infostände und Besichtigungen sollten über den täglichen Kampf im Krankenhaus gegen die unsichtbaren Krankheitserreger aufklären.
„Macht das Krankenhaus krank?“, fragte Dr. Reinhard Holländer, Leiter des Hygienischen Instituts in Bremen, denn auch am Anfang seines Vortrages provozierend. Er wiegelte aber sofort wieder ab: „Krankenhäuser machen in erster Linie natürlich gesund!“ Sie können aber auch unter bestimmten Umständen krank machen, gab er zu. Dagegen helfe nur strenge Hygiene. „Darüber hinaus gibt es aber auch Fälle, die trotz optimaler hygienischer Voraussetzungen unvermeidbar sind.“, so Holländer. „Eine Lungenentzündung bei langer Bettlägerigkeit mit künstlicher Beatmung zum Beispiel ist nahezu unvermeidbar, da das lange Liegen den Körper verändert, die Darmflo-ra aufsteigen und so die Pneumonie auslösen kann.“
Die heutigen typischen Krankenhaus-Krankheiten, nosokomiale Infektionen genannt, sind neben der Lungenentzündung Harnwegserkrankungen, Wundinfektionen und Blutvergiftungen. Das Risiko einer Ansteckung läßt sich jedoch durch geeignete hygienische Maßnahmen auf die Hälfte reduzieren. Dazu gehören neben penibler Sauberkeit im gesamten Krankenhaus selbstverständlich die Sterilisation von sämtichen ärztlichen Instrumenten. Aber auch die regelmäßige Desinfektion der Hände sei unerläßlich. Das sei leider noch nicht so selbstverständlich, beklagte sich Holländer, obwohl durch die Hände etwa 80-85 Prozent der nosokomialen Infektionen übertragen werden.
Die chemischen Mittel, die die Erreger der nosokomialen Krankheiten abtöten sollen, machen allerdings nicht vor Mikroorganismen in der Natur halt, wenn sie ins Abwasser gelangen. Auf diesen Aspekt machte Susanne Ehlken, Krankenhausökologin am ZKH, auf dem Hygienetag aufmerksam. Etwa 200 verschiedene chemische Stoffe werden in Krankenhaus zur Reinigung und Desinfektion verwendet. „Über deren Umweltverträglichkeit wissen wir meistens nur wenig.“ Deshalb sei eine thermische Desinfektion, also mit heißem Wasser oder Dampf, der chemischen vorzuziehen. Wo dies aus hygienischen Gründen nicht möglich sei, komme es auf die richtige Dosierung der Chemikalien an. Susanne Ehlken: „Auch hier gilt die Hausfrauenweisheit, daß mehr nicht immer mehr bewirkt.“
Daß Krankenhäuser auch eine Menge Müll machen, kann sich jeder vorstellen. Drei Tonnen produziert allein das ZKH täglich. Den größten Teil davon machen Einwegartikel und Verpackungen aus. „Doppelte Verpackungen für steriles Gerät sind aus hygienischen Gründen unvermeidbar“, so Susanne Ehlken, „aber ob Einweg- oder Mehrwegartikel zu verwenden sind, muß von Fall zu Fall abgewägt werden. Einweg-Nierenschalen bei nicht infektiösen Operationen sind zum Beispiel unnötig, während sie bei infektiösen Krankheiten eventuell besser sind.“
Um sich ein genaueres Bild von dem zu machen, wovon in den Vorträgen die Rede war, hatten die etwa 50 Interessierten anschließend die wohl einmalige Möglichkeit, sich die Zentralsterilisation, die endoskopische Abteilung, die Bettenzentrale und einen OP-Raum anzuschauen.
Elke Meier, eine Patientin, die die Langeweile und die Neugier aus ihrem Krankenzimmer zum Infotag getrieben hatte, war denn auch hinterher beeindruckt: „Man sieht das ja nie so, was die alles machen, damit wir gesund werden und bleiben!“
Birgit Köhler
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