: „Gott will, daß wir Spaß haben“
Technik ist das Medium, Gott die Message: Die Technoparty in der Matthäuskirche am Samstag war eher ein Kirchentag mit domestiziertem Techno als ein Rave. Junge Christen gaben den Ton an ■ Von Barbara Bollwahn
„Jesus ist auferstanden“, schreit ein junger Mann ins Mikro. „He is alive!“ Etwa fünfhundert verschwitzte junge Männer und Frauen reißen die Arme hoch, daß ein Regen von Schweißperlen herniederfällt. Mit verzückten Gesichtern hängen sie an den Lippen des Mannes, der von einer gekreuzigten Jesusfigur mit Dornenkrone Rückendeckung erhält. „Wir werden ewig eine Party feiern, wenn ihr Gott kennt. Die Party kann für euch heute losgehen!“ hallt es durch den Kirchenraum.
Zu der unchristlichen Technozeit von 20 Uhr begann am Samstag in der Matthäuskirche hinter der Philharmonie der „Eternal Rave“. Nach fast dreijähriger erbitterter Diskussion in der Kirche sollte die „Frohe Botschaft von Jesus Christus“ mit einer Technomesse verkündet werden. Techno- begeisterte Jugendliche sollten bei dem dreitägigen „Rave for Christ“ den Segen Gottes erfahren.
Bei den meisten Jugendlichen ging dieser fromme Wunsch der Organisatoren, der Charlottenburger Luisenkirche und der freikirchlichen Jugendorganisation J.U.M.P. in Erfüllung. Doch was wie ein Wunder anmutete, hat eine weltliche Erklärung: Die meisten „Raver“ waren bekennende Christen, die auch mal zu Techno tanzen wollten. Zumal wenn die Texte der eingeflogenen englischen Dancefloor-Acts dies inhaltlich legitimierten. „I never knew that I was missing the promised land“, dröhnte es durch die Kirche, daß die angeklebten Zettel „Keine Drogen“ und „Rauchen verboten“ ins Flattern kamen. „Now I feel your spirit in me“, drang es aus der Kehle einer blonden Sängerin im silberfarbenen Outfit, die madonnenhaft verklärt dreinschaute.
All die domestizierten „We are all Christians“-Technosongs waren von den Organisatoren bestellt. Denn eine der Bedingungen der Veranstalter war die Propagierung ausschließlich christlicher Inhalte. Nach Rockmessen mit E-Gitarren und Synthesizern soll nun der Technosound als Verbindung zwischen Gott und den Jugendlichen fungieren. Eine Technomesse auf dem Kirchentag und die Teilnahme an der Love Parade sind bereits in Planung, hieß es von den Veranstaltern – die Technik als Medium, Gott als Message. „Wenn wir das zusammenbringen“, schreit ein junger Christ von der Bühne, „werden wir verändert. Deshalb feiern wir heute abend.“ Die jungen Up-to-date-Christen versuchen sich voller Begeisterung im Technotanzschritt. Was in Szeneschuppen wie dem „Bunker“ oder dem „E-Werk“ Sache jedes einzelnen ist, wird hier zum Gruppenerlebnis. Viel hätte nicht gefehlt, und die jungen Christen hätten sich an den verschwitzten Händen gefaßt.
„Gott will, daß wir Spaß haben“, sagt Geli. Die „voll bewußte Christin“, die eigentlich nicht so sehr auf Techno steht, weiß, daß „altertümliche Kirchenmusik nicht mehr angesagt ist“. Die 27jährige Groß- und Außenhandelskauffrau, die sich in der Gemeinde am Südstern engagiert, ist „total traurig“ über die etwa zwanzig Christen, die vor der Kirche wegen „Gotteslästerung“ protestiert haben. Schließlich sei die Technomesse eine Möglichkeit für Jugendliche, Christus ohne Kulturschock kennenzulernen. Keinesfalls ginge es bei der Technomesse darum, „mit einer guten Verpackung Milliarden zu bekehren“. Gott sei kein Mittel zum Zweck. Aber eine Droge allemal. Geli spricht von Ekstase, einem Wort, das mindestens achzigmal in der Bibel vorkomme, als „extreme Form der Freude, des Verrücktseins für Gott“. Und wenn Gott die Technomusik wählt, um sich mit Technoleuten zu verständigen, sei das okay.
Doch auch für Geli gibt es Grenzen. An die stößt sie gegen ein Uhr, als die ersten „richtigen“ Raver auftauchen. Deren bunt gefärbten Haare und knappen Lackledershorts quittiert sie mit wenig christlicher Nächstenliebe. „Jetzt kippt die Stimmung um“, ist ihre Sorge. Doch die ist ziemlich unbegründet. Denn die Raver, die auf einen DJ auf dem Altar und einen unter bunten Blitzen zuckenden Jesus gehofft hatten, suchen sich einen „richtigen Raveschuppen“.
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