: „Gemeinsam sind wir trivial“
Zauberer, Clowns und Otto sorgten für geballte Witzischkeit bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises in Berlin. Bester Film: Romuald Karmakars „Der Totmacher“ ■ Von Mariam Niroumand
Entgegen anderslautender Behauptungen stehen weder Kritiker noch Publikum dem deutschen Film grundsätzlich feindselig gegenüber. Gut, man hat sich gegenseitig einige Strapazen und Blessuren zugemutet. Aber zur Verleihung des Deutschen Filmpreises am Freitag abend in der Deutschen Oper Berlin trug man allenthalben Wohlwollen: Die erbetene Abendgarderobe wurde gänzlich unironisch spazierengeführt; die Polizei sperrte weltstädtisch gelassen den historischen Ort ab, an dem der Schah von Persien 1967 „Die Zauberflöte“ gehört hatte, und es war soviel Prominenz erschienen, daß es sich erstmals lohnte, eine Direktübertragung von der Tür in den Saal zu schalten, wo Hellmuth Karasek tapfer Gottfried John, Sönke Wortmann, Marianne Sägebrecht und Pierre Brice begrüßte.
Es gibt frühkindliche Störungen, die schlicht aus einer gewissen Ungleichzeitigkeit der Bedürfnisse von Mutter und Kind resultieren. Mit den Feierstunden des deutschen Films und ihrem Publikum ist es vielleicht ein bißchen ähnlich. Findet die Gala im Friedrichstadtpalast statt, rechnet man mit Feuerschluckern, Nacktballett und humoristischen Tieffliegern, bekommt dann aber oft Besinnliches geboten. Wird dann aber in die Deutsche Oper gebeten, wo man eher eine gewisse Feierlichkeit erwartet, ist sofort und ausgiebig von Schweißausbrüchen des Choreographen Karasek die Rede. Furz- und Zwitschergeräusche von Otto Waalkes („Ich bin ein Pilot im Regenwald“) oder die Nöte der Jungstars bei der Vorbereitung ihres Auftritts (Heike Makatsch: „Jetzt kann ich's Ihnen ja sagen: Ich bin ganz schön aufgeregt!“) kamen hinzu sowie diverse Einlagen des Fernsehballetts in rot-schwarzem, popofreiem Leder oder in Weiß, mit Holiday-on-Ice-Federschmuck.
Karasek hatte vorgewarnt: „Schlechter Geschmack steht vor der Tür“ – auch selbst schon einige Vorgaben in die Richtung gemacht –, und auch das Symposium, das die Freunde der deutschen Kinemathek alljährlich zum Termin abhalten, stand unter dem Motto „Gemeinsam sind wir trivial“. Und das nach Kräften: Die Conférenciers Joachim Krol und Veronica Serres, die sich an diesem Abend übrigens als erstaunlich versatil erwies, mußten sich gleich zu Beginn die Treppe mit dem roten Teppich herunterwerfen. „Entweder man fällt oder man ge-fällt. Wir begrüßen: die Stunt-Show Babelsberg!“ hieß es dann aber lachend, und bei diesem Wechsel von „Überraschung!“ und „War nicht so gemeint“ blieb es im wesentlichen. Den konstanten Interruptus kennt man aus dem deutschen Film: Erwartet man eine Kußszene, kommt ein Fax; was als Thriller angelegt war, mündet unversehends in die Komödie und so weiter.
Lustige bunte Gaukler auf Stelzen oder Einrädern trugen die Preise heran. Katja Riemann („die deutsche Sharon Stone“!), die sich inzwischen einer ähnlichen Ubiquität erfreut wie ihr Kollege Till Schweiger, wurde für ihre Rolle in „Stadtgespräch“ als beste weibliche Darstellerin ausgezeichnet. Damit war zu rechnen gewesen. Auch die Preisvergabe für hervorragende Einzelleistungen an Hans- Christoph Blumenberg für das Drehbuch zu „Beim nächsten Kuß knall ich ihn nieder“, für Alexander Berner für den Schnitt von „Schlafes Bruder“ und für Thomas Plenerts Kamera in „Kalte Heimat“ waren keine Überraschung. Wim Wenders verlas die Ehrung des Regisseurs Fred Zinneman, und es gab einen Ausschnitt (Kußszene!) aus „Verdammt in alle Ewigkeit“. Erstmalig wurde mit „Smoke“ von Wayne Wang ein ausländischer Film mit dem deutschen Filmpreis geehrt.
Wirklich überraschend und den Stil der Gala wiederum sprengend war die Verleihung von drei Preisen: Das Filmband in Gold für die beste männliche Darstellerleistung ging an Götz George, der Regiepreis und das mit einer Million Mark dotierte Filmband in Gold für den besten Film an Romuald Karmakar für sein Porträt des Massenmörders Fritz Haarmann, „Der Totmacher“. Bei einem so konsequenten Bekenntnis zum guten Geschmack fragt man sich dann um so mehr, an wen eigentlich der ganze Hokuspokus vorher eine Konzession gewesen sein soll. „Ich danke allen, die sich mit mir ins Herz der Finsternis begeben haben“, sagte Karmakar gerührt. Damit hatte er nicht die Gala in der deutschen Oper gemeint.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen