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Viele Widersprüche und Zweifel

■ Der PUA Polizei entscheidet heute über die Akte Boateng

Spielen die Scheinhinrichtungs-Vorwürfe des Ghanaers Joel Boateng im Parlamentarischen Untersuchungsausschuß (PUA) Polizei noch eine Rolle? Das Abgeordneten-Gremium muß heute darüber entscheiden, ob die Akte Boateng endgültig geschlossen wird. Die Staatsanwaltschaft hatte Mitte Mai die Ermittlungen bereits eingestellt und die Vorwürfe von Boateng, im Freihafen Opfer einer Scheinhinrichtung geworden zu sein, als Hirngespinst bewertet.

Oberstaatsanwalt Martin Köhnke soll deshalb heute vor dem PUA den staatsanwaltlichen Schlußbericht erläutern, der in dem Fazit gipfelt: „Der von Boateng gegen Polizeibeamte behauptete Vorwurf einer 'Scheinhinrichtung' mit sexueller Belästigung (hat) nicht stattgefunden“, die Ermittlungen „gegen unbekannte Polizeibeamte wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt“ seien deshalb einzustellen. Begründet wird dies mit „widersprüchlichen Angaben des Zeugen Boateng in seinen mehrfachen Vernehmungen“ und dem in dessen „Person begründeten Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit“.

Die Staatsanwaltschaft kann auf zahlreiche Widersprüche in den Aussagen des Ghanaers verweisen. Das eklatanteste Beispiel: Während Boateng den Tatzeitraum zunächst auf die Zeit zwischen dem 24. Februar und dem 8. März 1995 eingrenzte, erinnerte er sich später an die Namen zweier Schiffe, die er am Tattag im Freihafen gesehen haben will. Allerdings lagen beide Schiffe am 29. März im Hafen. Mehrfach hatte Boateng ausgesagt, zum Tatzeitpunkt „nackenlange Rastalocken“ getragen zu haben. Drei Wochen zuvor bei einer erkennungsdienstlichen Behandlung gemachte Polizeiphotos zeigen ihn jedoch mit Kurzhaarschnitt.

Daneben gibt es weitere Ungereimtheiten in Boatengs Ausführungen: Immer wieder beschrieb er Tatverlauf, Tatort und Täter in Details unterschiedlich; ein Zeuge, der eine Wunde nach der Mißhandlung versorgt habe, konnte dies nicht bestätigen. Die Staatsanwaltschaft folgert, daß der Ghanaer sich als Scheinhinrichtungs-Opfer präsentierte, um „sich dadurch ein dauerndes Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik zu verschaffen“.

Doch neben den Aussage-Widersprüchen vermittelt die Lektüre des Schlußberichts den Eindruck, daß die Ermittler ihre Energie fast nur darauf verwendeten, Aussagen zu beschaffen, die Boateng in ein schlechtes Licht rücken – die Ermittlung der möglichen Täter aber kaum vorangetrieben wurde. Das gravierendste Beispiel: Boateng will bei einer vorläufigen Festnahme im Dezember 1995 seinem angeblichen Mißhandler auf der Hauptbahnhof-Wache erneut begegnet sein. Zwar wurden mehrere an der Festnahme beteiligte PolizistInnen ganz allgemein zu den Vorfällen verhört, nach dem Namen des unbekannten Beamten wurde nach taz-Informationen von den Ermittlern aber nicht gefragt.

Auch die Ungereimtheiten in Boatengs Aussagen werden nur auf der Basis der Vermutung, daß der Ghanaer ein notorischer Lügner sei, bewertet. Andere Hypothesen, etwa daß Boateng sich unter dem Vernehmungsdruck gedrängt fühlte, zeitlich weit zurückliegende Details zu berichten und dabei – für Zeugen nicht unüblich – Erinnerungen und bloße Rekonstruktionen vermischte, tauchen nicht auf. Merkwürdig dabei: Während der Ghanaer zwar über seine Aussagepflicht als Zeuge in Kenntnis gesetzt wurde, findet sich in den Ermittlungsakten kein einziger Hinweis darauf, daß er zumindest bei den richterlichen Vernehmungen darüber belehrt wurde, daß er die Aussage verweigern darf, sofern er sich selbst belasten würde.

Genug Stoff für den PUA, noch einmal genau nachzufragen.

Marco Carini

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