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Stoffen und Fälschern auf der Spur

■ Die Bundesanstalt für Materialprüfung feiert 125jähriges Jubiläum. 1983 wurden die „Hitler-Tagebücher“ entlarvt

Als bei der Reichstagsverhüllung im vergangenen Jahr in Berlin ein Unbekannter einen Brandpfeil auf den silbrigen Stoff abschoß, verursachte das nur einen faustgroßen Brandfleck. Für die Wissenschaftler der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) in Berlin, die heute ihr 125jähriges Jubiläum feiert, kam das Ergebnis nicht überraschend. Die BAM hatte ein halbes Jahr vorher auf ihrem Testgelände im brandenburgischen Horstwalde im Auftrag von Christo und Jeanne- Claude das Polypropylen-Verhüllungsmaterial geprüft.

Die spektakulären Tests am silberglänzenden Christo-Stoff waren für die BAM mit Stammsitz im Südwesten Berlins tatsächlich nur Routine. Meist wirken die derzeit etwa 1.700 Mitarbeiter im verborgenen, allerdings mit weitreichenden Folgen für jeden einzelnen Bundesbürger. Hinter ihrem nüchternen Motto „Sicherheit und Zuverlässigkeit in Materialtechnik und Chemie“ verbergen sich so unterschiedliche Aufgaben wie Standfestigkeitsprüfungen von Betonbrücken, die Entwicklung von Sicherheitsnormen für Tanklastzüge und die Erforschung der Korrosion technischer Anlagen.

Die historischen Quellen der Bundesanstalt liegen in der Königlich-Mechanisch-Technischen Versuchsanstalt und deren Schwingprüfungen an Eisenbahnbrücken. 1904 wurde das Königliche Materialprüfungsamt am heutigen Standort in Steglitz gegründet. Ihre moderne Form bekam die Bundesbehörde 1954. Die Bundesrepublik übernahm das damalige Materialprüfungsamt, das sich mit der Chemisch-Technischen Reichsanstalt vereinigt hatte.

Heute verfügt die Anstalt unter anderem über einen Prüfstand, auf dem zwölf Meter lange Original- Betonbauteile mit Drücken bis zu 2.500 Tonnen belastet werden können. Auch Filigranarbeit ist ihr nicht fremd. 1983 wurden den BAM-Mitarbeitern die angeblichen Hitler-Tagebücher vorgelegt. Rasch war klar, daß es so ein Papier und die Plastikfadenheftung damals nicht gegeben hat. Ein analytisches Glanzstück lieferte die BAM ebenfalls bei der Untersuchung von Kunstgegenständen des Dresdner Albertinums.

Nach der Wiedervereinigung übernahm die BAM vom DDR- Amt für Standardisierung, Meßwesen und Warenprüfung mit seinen einst mehr als 4.000 Mitarbeitern rund 300. Aufgrund einer Empfehlung des Wissenschaftsrates wurden zudem 160 Mitarbeiter des Chemisch-Analytischen Zentrums der ebenfalls aufgelösten DDR-Akademie der Wissenschaften in das Bundesinstitut eingegliedert. Über mangelnde Aufträge kann sich die BAM nicht beklagen: In einem energie- und umwelttechnisch interessanten internationalen Projekt soll zukünftig tiefgekühlter Wasserstoff unter anderem aus Kanada per Schiff nach Europa transportiert und hier als saubere Energie verbrannt werden. dpa

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