Pastoren: 30 Obdachlose am Stadtrand ausgesetzt

■ Seit 1995 nahm Bundesgrenzschutz 202 Obdachlose in Verbringungsgewahrsam

Der Bundesgrenzschutz hat im vergangenen Jahr 159 Obdachlose von Bahnhöfen entfernt und in andere Stadtteile verbracht. In diesem Jahr wurden bislang 43 Personen in den sogenannten Verbringungsgewahrsam genommen. Ein Absetzen der Obdachlosen am Stadtrand wollte ein BGS-Vertreter gestern bei einer Anhörung des Sozialausschusses des Abgeordnetenhauses aber nicht bestätigen.

Drei Pastoren Kreuzberger Kirchen hatten zuvor die Ergebnisse ihrer Umfrage unter Obdachlosen vorgestellt. Ihnen liegen Berichte von 150 Personen vor, die aus Bahnhöfen verwiesen und abtransportiert wurden. Die meisten derartigen Fälle ereigneten sich im Januar und Februar 1996. In 30 Fällen waren die Aufgegriffenen am Stadtrand ausgesetzt worden. Davon wurden 22 im Grunewald abgesetzt, drei Personen wurden nach Friedrichshagen verbracht und eine nach Potsdam.

Den Berichten standen die Erläuterungen des BGS-Vertreters gegenüber. Er legte dar, daß Personen, die am Hauptbahnhof des Platzes verwiesen wurden, in Friedrichshain, Köpenick und Treptow abgesetzt würden. Wer aus dem Bahnhof Zoo rausfliegt, landete bisher in der Jafféstraße und seit zwei Monaten auf einem Parkplatz an der Teufelsseechaussee. Die Betroffenen würden auf eine ein Kilometer entfernte Bushaltestelle hingewiesen, so der BGS-Vertreter. Im übrigen werde grundsätzlich darauf geachtet, die Obdachlosen in der Nähe öffentlicher Verkehrsmittel abzusetzen.

Dagegen berichteten die drei Pastoren, daß Befragte zum Teil völlig orientierungslos im Wald gestanden hätten und gar nicht gewußt hätten, in welche Richtung sie laufen sollten.

Die Maßnahmen richten sich nach Aussage eines Vertreters der Senatsverwaltung für Inneres lediglich gegen Personen, die in den Bahnhöfen aggressiv betteln, Reisende anpöbeln oder belästigen. Wenn sich Obdachlose unauffällig im Bahnhof aufhielten, gebe es „keinen Ansatz für einen Platzverweis oder eine Verbringung“.

Eine SPD-Abgeordnete nannte das Absetzen fern des Zentrums eine „Zumutung“. Sie verstehe nicht, warum die Beamten die Obdachlosen nicht in eine Wärmestube oder Notunterkunft brächten. Ein Polizeivertreter machte deutlich, daß dies nicht Aufgabe der Polizei sei: „Da können die selbst hingehen.“ Dorothee Winden