■ Fällt das Exportverbot für britische Rinder?: Wundersame Wandlungen
Britische Gelatine ist ein wundersamer Stoff: Noch vor zwei Monaten war er gesundheitsgefährdend und durfte die Insel nicht verlassen, heute soll ihm – gemeinsam mit anderen Rinderderivaten wie Talg und Samen – von der Europäischen Union die Unbedenklichkeit bescheinigt werden. Was ist in der Zwischenzeit geschehen? Eigentlich nichts. Politische Interessen haben mal wieder Vorrang vor dem Verbraucherschutz.
Die Aufhebung des Exportverbots für Gelatine, Talg und Samen wäre eine von wissenschaftlichen Erkenntnissen völlig ungetrübte Entscheidung. Zwar sind sich die Experten nicht einig, wie der Erreger aussieht, doch man weiß, daß er durch Kochen nicht zerstört werden kann. Es gibt daher nicht den geringsten Grund, der britischen Regierung und den von ihr gekauften Wissenschaftlern in Sachen Rinderderivate zu vertrauen.
Die Behauptung, der Rinderwahn werde bis zur Jahrhundertwende besiegt sein, ist falsch – das weiß auch die britische Regierung. Sie begründet ihre Prognose mit dem Verbot, Fleischmehl an Rinder zu verfüttern. Das trat im Juli 1988 in Kraft. Zwar ist die Zahl der BSE-Fälle seitdem gesunken, doch noch immer sterben jede Woche 250 Tiere an der Krankheit. Entscheidender für eine langfristige Prognose ist die Zahl der BSE-Erkrankungen bei Tieren, die nach dem Fütterungsverbot geboren wurden – und die ist relativ konstant: Bei Kühen bis zu fünf Jahren ist die Rate von 1989 bis 1995 unwesentlich gefallen. Bei sechsjährigen Kühen wurde 1995 mit drei Prozent sogar die zweithöchste Zahl in den vergangenen sieben Jahren gemessen.
Das läßt nur einen Schluß zu – zumindest wenn man nicht an jene Theorie glauben mag, die das Londoner Landwirtschaftsministerium seit Jahren wiederkäut: Die Futtermittelmaschinen seien noch immer kontaminiert. Logischer ist eine andere Erklärung: Es findet eine vertikale Übertragung von der Kuh auf das Kalb oder eine horizontale Übertragung durch infizierte Weiden statt. Aufgrund der Inkubationszeit bedeutet das, daß für jedes getötete BSE-Rind vier bis acht weitere auf dem Mittagstisch landen. Das ließe sich nur durch radikale Maßnahmen verhindern. Die sind aber politisch offenbar nicht durchsetzbar, wie die Aufweichung des EU-Exportverbots zeigt. Ralf Sotscheck
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