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Angst vor dem Ende der Pressefreiheit

Hongkongs Journalisten befürchten, daß nach der Übergabe der britischen Kolonie an China dort Pekinger Sitten einkehren. Chinesische Vertreter dementieren das – aber wenig glaubwürdig  ■ Aus Hongkong Sven Hansen

Ein klobiger Bau an der Ecke Queens Road East/Morrison Hill Road in Hongkong ist Chinas inoffizielle Botschaft in der britischen Noch-Kolonie. Am Sonntag wurde das Gebäude zum wiederholten Mal Ziel einer Demonstration. Etwa 3.000 Menschen erinnerten an das Massaker am Platz des Himmlischen Friedens, das sich morgen zum siebtenmal jährt.

Offiziell beherbergt das gut bewachte Gebäude die staatliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua (Neues China). Obwohl die Volksrepublik sich in Hongkong von „Journalisten“ vertreten läßt, haben Pekings Repräsentanten die Öffentlichkeitsarbeit in den letzten Jahren sträflich vernachlässigt. In weniger als 400 Tagen übernimmt die Volksrepublik die Hoheit über Hongkong. Trotz gegenteiliger Zusicherungen wächst unter den 6,3 Millionen Einwohnern die Sorge, nach dem 1. Juli 1997 gewohnte Freiheiten zu verlieren. Dabei gilt die Pressefreiheit in der Medienmetropole mit 59 Tageszeitungen als Gradmesser.

In Interviews mit zwei US-Fernsehsendern hat jetzt der Leiter des Hongkong- und Makao-Büros der chinesischen Regierung, Lu Ping, versucht, die Sorgen zu zerstreuen. „Hongkongs Medien können uns kritisieren und gegen uns schreiben“, erklärte er. Mit dem Hinweis auf Taiwan, das von Peking als abtrünnige Republik betrachtet wird, fügte er allerdings hinzu: „Es dürfen keine zwei Chinas propagiert werden.“ Als die Journalisten nachhakten, erklärte der weißhaarige Lu, die Pressefreiheit müsse im Rahmen der Gesetze bleiben. Genau damit verstärkte Lu jene Sorgen, die er ausräumen wollte.

„Es ist unwahrscheinlich, daß China die Volksbefreiungsarmee in die Redaktionen schicken wird“, meint der Redakteur V. G. Kulkarnai von der Wirtschaftszeitschrift Far Eastern Economic Review. „Aber sehr wahrscheinlich wird Peking Gesetze verabschieden lassen, die die Presse unter Kontrolle bringen.“

Laut einer Studie der Chinesischen Universität in Hongkong rechnet die Mehrheit der Journalisten mit Einschränkungen der Pressefreiheit. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, daß die Befürchtungen nicht unbegründet sind. Vor zwei Wochen beschwerten sich 39 Journalisten mit einer Petition bei Pekings Vertretern. Die Medien wollten über ein Treffen des Vorbereitungskomitees berichten.

Das von China eingesetzte Komitee aus Vertretern Hongkongs und Pekings soll die Übergabe der Kolonie vorbereiten. Während die Journalisten sich über den Ausschluß bestimmter Medien beschwerten, rechtfertigen Vertreter des Komitees die Einschränkungen: In der Vergangenheit sei nicht akurat berichtet worden. Bisher sind Hongkongs Journalisten vor allem mit Selbstzensur konfrontiert. „Zwei lokale Fernsehsender haben einen britischen Film über Mao Tse-tung und eine spanische Dokumentation über das Massaker am 4. Juni 1989 nicht ausgestrahlt, obwohl sie die Rechte dazu erworben hatte“, sagt Ivan Tong, der Vorsitzende der Journalistenvereinigung. Zwar gebe es nur wenige so offensichtliche Fälle, aber vieles werde unter den Teppich gekehrt: „Die Herausgeber sind raffinierter geworden.“ Auch würden von China kontrollierte Unternehmen per Anzeigenboykott versuchen, wirtschaftlichen Druck auszuüben.

Der Hongkonger Journalistenverband kämpft seit Jahren mit begrenztem Erfolg für die rechtliche Absicherung der Pressefreiheit. Von der britischen Kolonialregierung wurde gefordert, einschränkende Gesetze abzuschaffen. Sie wurden zwar in letzter Zeit kaum noch angewendet, aber es wird befürchtet, daß sich das in Zukunft ändern könnte. Pekings Vertreter betonen denn auch immer wieder, daß die Pressefreiheit unter den Briten auch nur relativ gewesen sei. In der letzten Woche haben Vertreter von Zeitungen, die in Hongkong als Sprachrohr Pekings dienen, einen konkurrierenden Journalistenverband gegründet. Von Pressefreiheit ist in dessen Statuten keine Rede.

Während ausländische Korrespondenten ab 1997 schlimmstenfalls mit einer Ausweisung rechnen müssen, haben ihre chinesischstämmigen Kollegen mehr zu befürchten. Das führt bereits jetzt zu einer gewissen Zurückhaltung. So wurde eine Veranstaltung am 3. Mai, dem internationalen Tag der Pressefreiheit, hauptsächlich von ausländischen Korrespondenten besucht. Für die Vertreter chinesischsprachiger Medien ist das Schicksal des Reporters Xi Yand, der für die Hongkonger Zeitung Ming Pao in Peking arbeitete, ein abschreckendes Beispiel. Xi wurde zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Sein „Verbrechen“ bestand darin, „staatliche Finanz- und Bankgeheimnisse“ verraten zu haben: Er hatte von Plänen für Zinsänderungen und Goldverkäufen der Zentralbank berichtet.

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