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550 Riesen für „Schattenmann“ Wedel

■ Hamburg sponsert den bekannten Regisseur und Produzenten mit mehr als einer halben Million Mark in der vergeblichen Hoffnung auf Arbeits- und Ausbildungsplätze Von Heike Haarhoff

Wie gebannt hingen Millionen deutscher Fernsehzuschauer Anfang des Jahres vor der Glotze: Im Auftrag des ZDF „enthüllte“ Dieter Wedel, zugleich Autor, Regisseur und Produzent der fünfteiligen TV-Serie „Der Schattenmann“, das „wahre“ Leben von V-Männern im Umgang mit mafiösen Zirkeln. Nicht minder spannend ist die verdeckte finanzielle Unternehmensförderung mit öffentlichen Mitteln, die Wedel seitens der Wirtschaftsbehörde sowie der Hamburger Medienstiftung erfährt. 550 braune Riesen soll der bundesweit bekannte Produzent kassieren – angeblich zur „Standortsicherung“ und „Nachwuchsförderung“.

Eine einmalige Zuwendung in Höhe von 100.000 Mark ließ ihm nach taz-Informationen der parteilose Wirtschaftssenator Erhard Rittershaus höchstselbst in diesem Frühjahr zukommen. Begründung: Wedel plane, den Unternehmenssitz seiner Corona Film GmbH von Hannover nach Hamburg zu verlagern. Die Geldspritze sollte die Abwicklung der Betriebsstätte in Hannover bzw. die Anlaufkosten für die neu zu gründende Gesellschaft bezuschussen. Hamburg profitiere davon wirtschaftspolitisch, denn Wedels Film-Produktionen würden für neue Arbeitsplätze sorgen.

Von „Zweckentfremdung öffentlicher Gelder“ sprechen hingegen Kenner der Filmbranche. Printmedien wie auch Handwerksbetriebe, die mit Weggang drohen, „würden niemals einen Pfennig kriegen.“ Von „Standortsicherung“ und „Hilfe zur Firmengründung“ könne ebenfalls keine Rede sein: Wedel und seine Handvoll Angestellten sind mit ihrem Produktionsbüro nach eigenen Angaben bereits „seit gut zwei Jahren“ in Hamburg etabliert.

Bei der angeblichen Verlagerung des Firmensitzes handelt es sich lediglich um einen Gang zum Notar: Zwar ist die Corona seit dem 8. November 1990 unverändert beim Handelsregister in Hannover eingetragen. Der dortige Firmensitz aber ist eine reine Briefkastenadresse: „Die Post für Herrn Wedel wird automatisch nach Hamburg weitergeleitet“, weiß die Industrie- und Handelskammer in Hannover. Auch im „Medienhandbuch Niedersachsen/Bremen“, das das Osnabrücker „Film- und Medienbüro Niedersachsen“ Ende Juni herausgeben will, tauchen die Namen „Wedel“ oder „Corona Film GmbH“ nicht auf: „Da sitzt nur noch eine Schreibkraft“, gibt Wedel zu.

Weitere satte 450.000 Mark erhält der Filmproduzent zudem von der Hamburger Medienstiftung. Deren Gesellschafter – die Hamburger Senatskanzlei, die Hamburger Anstalt für Neue Medien (HAM) und der Norddeutsche Rundfunk (NDR) – gewähren Wedel diese Summe während der kommenden drei Jahre und zum Zwecke der „Nachwuchsförderung“. Das bestätigte Wedel am Montag der taz. Im Filmbereich, beklagt er, „gibt es erhebliche Ausbildungsdefizite“, weil einheitliche Lehrkonzepte fehlen. Und: „Die ohnehin knappen Kalkulationen für Filmproduktionen decken nicht auch noch die Ausbildungskosten“.

In klein- und mittelständischen Filmbetrieben findet Ausbildung offenbar nur statt, falls die Lehrlinge über Dritte gesponsert werden. Richtig skandalös aber findet das niemand: „Die Medienstiftung will den Wirtschaftsstandort stärken. Dazu gehört auch Nachwuchsförderung“, sagt der Leiter des Arbeitsstabs Medienwirtschaft in der Senatskanzlei, Rainer Hanus. Filmproduzent Wedel verspricht, pro Jahr immerhin „drei bis vier Leute in den Bereichen Produktion, Dramaturgie, Casting, Ausstattung, Kamera-Assistenz auszubilden“.

Kollegen bezweifeln, daß „diese Mittel allein reichen“. Bedauerlich sei, daß Hamburg mit der Entscheidung für Wedel weiterhin lediglich Fernsehproduktionen, nicht aber Spielfilme fördere. Wedel schaffe nicht – wie auch von der Wirtschaftsbehörde erhofft – dauerhafte Jobs, sondern lediglich „temporäre Beschäftigungseffekte“: „Bei Film-produktionen ist es normal, daß bei Dreharbeiten zig freie Mitarbeiter eingestellt werden. Anschließend melden sie sich dann arbeitslos, und das Produktionsbüro schrumpft wieder auf die übliche Mitarbeiterzahl von vier oder fünf.“

„Wir fördern gemäß der EU-Richtlinie Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen an kleinere und mittlere Unternehmen“, ist alles, was Wirtschaftsbehörden-Sprecher Wolfgang Becker über die streng vertraulichen Geschäftsgeheimnisse verrät. Insider der Filmbranche hingegen wollen wissen, Wedel habe gedroht, Hamburg zu verlassen, falls er kein Geld erhalte. „In Nordrhein-Westfalen und München“, so ein Insider, „ist dieses Gekungel mit öffentlichen Geldern bei Filmproduktionen üblich“.

Spekuliert wird, daß Dieter Wedel erst in Hamburg abkassieren und sich anschließend aus dem Staub machen wolle. „Es gibt Gerüchte, wonach Herr Wedel zur Bavaria nach München wechselt“, sagt Eva Hubert von der Filmförderung GmbH. „Das ist absolut falsch“, widerspricht Wedel. Auch die Unterstellung, er wolle bloß seinen Geldbeutel füllen, nachdem er angeblich das Budget für den „Schattenmann“ in Millionenhöhe überschritten habe, seien haltlos und „boshaftig“: „Ich weiß nicht, woher die Leute das haben. Daß ich nicht der billigste Produzent bin, wissen die Konkurrenten.“

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