: Ariane V abgestürzt
■ Wissenschaftler auch bei der Bremer Dasa konsterniert / 1 Milliarde Mark im Meer versunken
Betroffene Gesichter und Schweigen – mehr Regung passierte den gut 300 Dasa-Mitarbeitern und ihren Gästen auf der Ariane-V-Party in der großen Montagehalle auf dem Werksgelände gestern nicht, als die neue superstarke und 710 Tonnen schwere Rakete abhob und keine 60 Sekunden später explodierte. (vgl. Bericht von der Absturz-Party Seite 2) „Ein absoluter Tiefschlag“, meinte der Chef der Abteilung Raumfahrt Infrastruktur, Josef Kind, um gleich hinzuzufügen, man dürfe sich dadurch nicht entmutigen lassen, es habe auch früher Fehlstarts gegeben.
Der Fehlstart bei dem Jungfernflug nach 15 Jahren Ariane-Erfahrung allerdings ist eine andere Sache. Bis zur Nummer 85 zählen die Ariane-Flüge bisher, die Nummer 63 und 70 sind in der Produktionshalle im Bremer Dasa-Werk mit dem Sternchen für „Fehlstart“ versehen. Beide Male war „menschliches Versagen“ die Ursache, das letzte Mal war ein Putzlappen in dem hochsensiblen System vergessen worden, die Technik stimmte immer. Und das war das Plus der Ariane gegenüber drohender Konkurrenz aus China und Rußland: ihre Zuverlässigkeit. 14 Exemplare der Ariane V sind bestellt, für 50 liegen Optionen vor. Da darf es kein Versagen geben.
„Ein hervorragendes System“ hätten die beteiligten Wissenschaftler und Techniker aus 12 Nationen da hinbekommen und sich „weit nach vorn gewagt“, ist Kind auch nach dem Absturz noch sicher. Aber nach allem, was man auf den Bildschirmen vom Start und der Explosion sehen konnte, hat ein eigentlich bewährtes altes Element versagt: Einer der Feststoff-Booster, die an den Seiten der Rakete montiert werden und für zusätzlichen Schub sorgen, hatte einen „Druckabfall“. Dadurch kam das 54 Meter hohe Ungetüm von seiner Bahn ab. Nur auf hartnäckiges Nachfragen geben Dasa-Mitarbeiter ihr Prinzip internationaler Solidarität auf: Vermutlich nicht aus Bremen stammende Elemente haben versagt. Aus Deutschland – von MAN - stammt nur die Hülle der Booster, der Zündmechanismus weitgehend aus Frankreich. Aber über die exakten Ursachen des Fehlstartes werden die Wissenschaftler noch einige Wochen anhand der akribisch gespeicherten Daten forschen. „Frühestens in einem Jahr“, so rechnet man, dürfte es einen erneuten Start-Versuch geben. Eigentlich war der zweite Start für den Herbst geplant gewesen.
Entwickelt worden war die Ariane V eigentlich für den Raumgleiter Hermes: Dessen 23 Tonnen Gewicht kann die herkömmlicher Ariane IV nicht in eine Umlaufbahn hieven. Nun liegt Hermes in den Schubladen, und für die seit sieben Jahren geplante neue Ariane wurde eine neue Existenzberechtigung gesucht. „Zuverlässiger und preiswerter“ als die Ariane IV sollte sie sein, aufgrund ihrer größeren Kraft auch zwei (oder vier kleine) Satelliten mit einem Start hinausbefördern können.
Die Ariane V soll auch das Transport-System zu der geplanten Weltraum-Station Columbus werden: Mit einem „Automatisch“ sich steuernden „Transport-Vehicle“ (ATV), geplant für das Jahr 2002, und vielleicht sogar später einem „Crew Transport Vehicle“ (CTV), das Menschen zur Raumstation ins All befördern würde.
Mit den 100 Millionen Mark, die Rakete und Start kosten, sind auch die vier 840 Millionen teurer Cluser-Satelliten, mit denen das Magnetfeld der Erde untersucht werden sollte, in den Atlantik vor Kourou abgestürzt. K.W.
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