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Schwarz-Grün ist die Zukunft

„Mit 17 hat man noch Träume“: Auf einer Veranstaltung von ufa und taz entwarfen CDU-Politiker und Alternative Visionen über Berlin 2013  ■ Von Stephanie v. Oppen

Bundeskanzler Joschka Fischer lächelt wohlgefällig: Die Rekruten der bundesdeutschen Berufsarmee werden, wie schon seit Jahren, vor dem Charlottenburger Schloß vereidigt. Die Berliner sind zu einem großen Fest am Spreebogen eingeladen, denn seit die Bundesrepublik von einem Linksbündnis regiert ist, geht es im Regierungsviertel volksnah zu. Und die einzige Universität, allerdings auf vier Standorte verteilt, verkündet stolz, daß die Studiengebühren von 1.200 Mark nicht weiter angehoben werden. Nachrichten eines einzigen Tages, wie sie in der dann regierungskonformen taz des Jahres 2013 stehen könnten. Ein Metropolen-Szenario, das Wissenschaftssenator Peter Radunski (CDU) am Montag abend mit süffisantem Lächeln vorstellte.

„Berlin in 17 Jahren“, lautete das Thema einer Podiumsdiskussion, zu der die taz und die ufa-fabrik anläßlich ihres 17. Geburtstages geladen hatten. Keine orwellsche Horrorvorstellung wurde da in der Theatersaal der Ufa-Fabrik gezeichnet. Vielmehr entwarfen die Beteiligten das friedsame biblische Hoffnungsbild von Kopf an Kopf grasenden Wölfen und Schafen. Marlene Kück von der „Bank für kleine und mittlere Unternehmen“ wünschte sich, daß in 17 Jahren Wertpapiere der Kulturstätte und der taz an der Berliner Börse zu kaufen sind. Juppy, Zirkusdirektor der ufa-fabrik, schwebte auf den Flügeln der Phantasie über Berlin und sah grün: Auf den Hausdächern wuchert Gras und zwischen den Hochhäusern am Alexanderplatz schwingen die Städter an Lianen. Ausländerbeauftragte Barbara John (CDU) sah drei Weltreligionen in der Mitte Berlins zusammenrücken: Nahe dem Alex erhebt sich Deutschlands schönste und größte Moschee, deren Kuppel im Licht glänzt wie der nahe gelegene Dom und das goldene Dach der Synagoge.

Juppy setzte auf die therapeutische Wirkung von Kultur und Natur. Letztere müsse man „in die Stadt zurückholen“. Die kreativen Potentiale der Menschen gelte es zu entfesseln, dann würden sich viele Probleme von selbst lösen. Unser Gesellschaftsmodell sei „völlig falsch aufgebaut“. Es sei verkehrt, nur „hinter dem Geld herzujoggen“ und wenn man arbeitslos werde, „sich vor der Gesellschaft zu verkriechen“ anstatt in einer Sambagruppe zu trommeln. So halte die Bundesregierung daran fest, daß Menschen im Ruhrgebiet „Kohle schippen“ gingen, um Arbeitsplätze zu erhalten. Dabei könnten die Bergleute schon längst „unter einem Windrad liegen und ein Buch lesen“.

Geld für Zukunftsprojekte gebe es genug, glaubt Marlene Kück. Nur gammele es leider auf Bankkonten vor sich hin. Besonders die Frauen müßten zum Investieren ermutigt werden und ihr Erspartes in Projekten anlegen. Beim Zauberwort „Eigeninitiative“ traf sich die progressive Bankerin mit dem Alternativen Juppy und mit dem Konservativen Peter Radunsky. Der äußerte sich begeistert über die „Turkish Urban Professionals“ in Berlin, kurz „TUPies“. Junge Türken, die in Berlin ihre eigenen Betriebe gründeten und die der frühere CDU-Wahlkampfmanager gerne verstärkt für seine Partei gewinnen möchte.

In 17 Jahren gebe es wahrscheinlich einen Bürgermeister namens Öztürk, unterstützte Barbara John ihren Parteifreund. Ein türkischer Politiker wäre dann so selbstverständlich wie Wissenschaftssenator Radunski – der habe ja schließlich auch polnische Ahnen. So harmonisch wie das Bild, das die Podiumsteilnehmer entwarfen, verlief auch die Veranstaltung. Nur einmal blies Radunksi, der den Hochschulen einen Sparkurs verordnet, der Wind ins Gesicht. Als er vorschlug, Lebensqualität weniger im materiellen Wohlstand zu suchen, tönte es kritisch aus dem Publikum: „Sie verniedlichen die Armut in dieser Zweidrittelgesellschaft.“

Dagegen stieß Radunskis Vision eines schwarz-grünen Bündnisses in Berlin beim linksalternativen Publikum nicht auf Protest. Im Gegenteil: Ein Zuhörer fand diese Idee gar nicht so abwegig. Die CDU müsse lediglich „linksliberaler“ werden. Radunski war auf dem besten Weg dahin. Er sang nicht nur ein Lied auf die Selbständigkeit, sondern schlug auch vor, „Selbsthilfemanager“ auszubilden, denn durch „Selbsthilfe könne man „verdammt viel Vermögen schaffen“. Da nickte auch Juppy, der linksalternative Liberale.

Geburtstagsparty total von taz und ufa am 8. Juni auf dem Gelände der ufa-fabrik. Beginn: 20 Uhr.

Viktoriastraße 10–18 in Tempelhof

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