: Ariane abgestürzt – „die Party ist geschlossen“
■ Wie 300 geladene Gäste gestern im Bremer Dasa-Werk die Explosion der Satellitenträgerrakete am Monitor mitverfolgen. Eine Milliarde Mark verpulvert
Bremen (taz) – Die Startparty des Bremer Dasa-Werks scheint schon vorbei zu sein. Zulieferer, Journalisten, Politiker und der Haushaltsausschußvorsitzende aus Bonn strömen zu den aufgebauten Biertresen. Die Monitore zeigen nur nach das „00.07“ des steckengebliebenen Countdowns. Um 13.35 Uhr (MEZ) war der geplante Start von Ariane 5 verschoben worden.
Der Wind sei zu stark und der Himmel zu wolkenverhangen, lautete die Begründung für die Verzögerung. Vor allem ein Gewitter drohte die mit einer Art Schießpulver in den seitlich angebrachten Feststoffboostern und flüssigem Wasser- und Sauerstoff gefüllte Rakete in eine pyrotechnische Katastrophe zu verwandeln.
Doch plötzlich geht es dann doch weiter. Die 300 Partygäste kehren zurück vor den drei Meter hohen Monitor. Die 700 Tonnen schwere, auch „Lastenschlepper“ genannte Rakete hebt bildschön von der 1,2 Milliarden Dollar teuren Startrampe ab. Drei Millionen Pferdestärken hat das Haupttriebwerk – und es funktioniert prächtig. In der Spitze trägt Ariane 5 als Nutzlast vier Satelliten. Sie sollen bald das Magnetfeld der Erde erforschen.
Nach 120 Sekunden wird der Koloß eine Höhe von 58 Kilometern erreicht haben, hieß es noch eben. Aber nach 32 Sekunden – „wir haben mitgestoppt“, wird später ein Dasa-Mitarbeiter berichten – sackt die Ariane V ein wenig zur Seite. Die Partygespräche verstummen. Schließlich kippt die Rakete vollends aus ihrer Flugbahn. Ein Feuerball erscheint auf dem Monitor. In Kourou in Französisch-Guyana rieselt Staub im Wert von einer Milliarde Mark ins Meer.
„Da sitzt einer in Kourou in einem abgetrennten Raum mit einem roten Knopf“, erklären Dasa- Mitarbeiter die Explosion: Wegen der Gefährlichkeit der Treibstoffmengen muß vermieden werden, daß die Rakete mit vollem Tank zurück zum Boden kommt. Wenn sie ihre Flugbahn unkontrolliert verläßt, wird deshalb der Mechanismus zur Selbstzerstörung ausgelöst. Es habe einen Druckabfall in einem der seitlich an die Trägerrakete angebrachten Feststoff-„Booster“ gegeben, wird später verbreitet. Die genaue Analyse des Fehlers wird Wochen dauern.
Die Bremer Dasa-Mitarbeiter weigern sich standhaft, eine Regung der Erleichterung darüber zu zeigen, daß es wenigstens nicht eines „ihrer“ Bauteile im vorderen Bereich war, das nicht funktionierte. 1,1 Milliarden Mark hat die Herstellung von Ariane-Komponmenten in die Kasse der Daimler- Tochter gebracht. Insgesamt wurden 12 Milliarden Mark für die Entwicklung des neuen Systems ausgegeben.
„Nun ist es passiert“, sagt der Leiter der „Raumfahrt Infrastruktur“, Josef Kind, kurz nach dem Absturz. Dabei hatten die Ariane- Ingenieure noch gestern eine 98,5prozentige Sicherheit versprochen. „Es ist schade um das, was letztlich auch von uns geleistet worden ist“, meint Kind. „Die Party ist geschlossen.“ Klaus Wolschner
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