Bullensprung zum Wahnsinn

■ Die EU-Kommission will Exportverbot auf britisches Rindfleisch lockern – zunächst für Gelatine, Talg und Bullensamen. Briten starten Werberundreise durch Europa

Dublin (taz) – Die EU-Kommission wird heute das Exportverbot für britische Rindernebenprodukte aufheben. Das hat der EU-Agrarkommissar Franz Fischler angekündigt, nachdem bei der Sondersitzung des Agrarrates in der Nacht zu gestern keine Einigung erzielt werden konnte: Weder kam die qualifizierte Mehrheit für eine Aufhebung des Embargos noch die einfache Mehrheit für seine Beibehaltung zustande. Jetzt kann die Kommission die Lockerung des Exportverbots durchsetzen, die sie bereits vor zwei Wochen vorgeschlagen hatte. Bundeslandwirtschaftsminister Jochen Borchert (CDU) und Gesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) stimmten gegen eine Teilaufhebung des Embargos, weil eine Gefährdung des Menschen durch Gelatine, Talg und Bullensperma nach wie vor nicht auszuschließen sei. Gelatine und Talg tauchen unter anderem in Schokolade, Joghurt, Gummibärchen, Kosmetika, Margarine und Arzneimitteln auf. Borchert verlangte gestern, deutsches Rindfleisch umfassend zu kennzeichnen, um angesichts der Lockerung das Vertrauen der Verbraucher zu stärken.

Die zu erwartende Entscheidung der EU-Kommission bedeutet allerdings nicht, daß die britischen Rinderderivate nun freie Bahn haben. Es werde strenge Auflagen geben, von deren Einhaltung sich die EU-Kommission überzeugen wolle, sagte Fischler. Bis es soweit ist, können Wochen oder Monate vergehen. Bis die Briten wieder Rindfleisch und lebende Rinder exportieren können, wird es noch länger dauern.

Bei der Sitzung des Agrarrates war der britische Landwirtschaftsminister Douglas Hogg mit einem 121 Seiten starken „Programm zur Ausrottung von BSE im Vereinigten Königreich“ angerückt, das Altbekanntes wiederkäut: Hogg bot an, 80.000 Rinder zu töten und ab Juli einen „Rinderpaß“ einzuführen. Hogg und Außenminister Malcolm Rifkind starten heute zu einer Rundreise durch die EU, um möglichst viele Partnerländer auf ihre Seite zu ziehen. Ralf Sotscheck Seite 7