piwik no script img

SPD will die Bannmeile abschaffen

■ Nach dem Umzug des Bundestages soll es keine Bannmeile um den Reichstag geben. Kuppel soll Aussichtsplattform werden. Auch die Bannmeile um das Abgeordnetenhaus könnte dann fallen

Die Bonner und Berliner SPD- Fraktionen haben sich gestern gegen eine Bannmeile um den künftigen Sitz des Bundestages im Reichstag ausgesprochen. Einen entsprechenden Gesetzentwurf will der parlamentarische Geschäftsführer der Bonner SPD, Wilhelm Schmidt, in Kürze vorlegen.

„Das Versammlungsgesetz bietet genügend Möglichkeiten, die Arbeit des Parlamentes zu schützen“, begründete Schmidt den Vorschlag der Koordinierungsgruppe Umzug Bonn–Berlin. Die Bannmeile sei „das Relikt eines hoheitlich orientierten Staatswesens“. Die SPD wolle dagegen ein bürgernahes Parlament. So soll die Kuppel des Reichstages der Öffentlichkeit als Aussichtsplattform zugänglich sein.

Unterstützt wurde der SPD- Vorschlag gestern vom früheren Bonner Polizeipräsidenten Michael Kniesel. Er bezeichnete die Bannmeile als „überflüssig“ und „kontraproduktiv“. „Die Wirkung einer Bannmeile wird überschätzt“, sagte Kniesel. Sie schaffe keine zusätzliche Sicherheit, sondern sei „nur eine fiktive Linie“, die letztlich von der Polizei gehalten werden müsse. Wenn es notwendig sei, könnten Demonstrationen auch ohne Bannmeile vor dem Parlament verboten werden. Dafür müsse aber eine konkrete Gefahrenprognose vorliegen, aufgrund deren die Polizei dann der Lage angepaßt vorgehen könne.

„Das Parlament kann den Souverän, das Volk, nicht ausschließen“, erklärte Kniesel, der Verfasser eines Lehrbuchs zum Versammlungsrecht ist. In seiner Bonner Zeit sei es nur einmal zu Ausschreitungen innerhalb der Bannmeile gekommen, und zwar bei einer Bauerndemonstration.

Ob sich die Bonner SPD-Fraktion mit ihrem Vorschlag durchsetzen wird, ist allerdings ungewiß. Denn CDU- und FDP-Fraktion wollen an der Bannmeile festhalten.

Für den Fall, daß sich die SPD- Bundestagsfraktion durchsetzt, könnte auch die Bannmeile rund um das Berliner Abgeordnetenhaus fraglich werden. Wenn es keine Bannmeile um den Reichstag gebe, sei es undenkbar, sie um den Preußischen Landtag aufrechtzuerhalten, erklärte der parlamentarische Geschäftsführer der Berliner SPD, Peter Seitz.

Es verbiete sich, das Regierungsviertel in einen Hochsicherheitstrakt zu verwandeln. Vielmehr müsse dieser Teil der Stadt weiterhin lebenswert bleiben. Auch Schmidt empfahl der Bundesregierung, sich bei ihrem Sicherheitskonzept für das Regierungsviertel von ihrer Abschottungspolitik zu verabschieden. Ein Gebäude könne auch von innen ausreichend gesichert werden.

Der innenpolitische Sprecher der Berliner CDU, Dieter Hapel, sprach sich gestern für eine Beibehaltung der Bannmeilen um Reichstag und Landtag aus. Diese sollten aber auf „das unumgängliche Maß beschränkt“ werden. Schmidt drängte auf eine baldige Entscheidung, denn das Sicherheitskonzept für den Reichstag berühre so profane Dinge wie die Grünflächenplanung. Derzeit laufe die Ausschreibung für die Neuordnung des Platzes vor dem Reichstag. Eine Gestaltung sei aber nur möglich, wenn die künftige Nutzung als Grünfläche, Kundgebungsort oder Festplatz feststehe. Dorothee Winden

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen