Das Portrait: Der Aussteiger
■ Harald B. Schäfer
Noch einer verläßt das sinkende Schiff: Nachdem die stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Herta Däubler-Gmelin Anfang Mai alle ihre Parteiämter in der Südwest-SPD enttäuscht niederlegte, sagt nun auch der bisherige Umweltminister und „Parteilinke“ Harald B. Schäfer der SPD ade. Daß nach der verheerenden Wahlniederlage der Sozialdemokraten in Baden-Württemberg (25,1 Prozent) damit entgegen dem Volksmund die Mitglieder der Kapitänscrew den alten Kahn verlassen, stellt nicht nur das Sprichwort auf den Kopf, sondern wirft auch ein Licht auf den Zustand der erschütterten Genossen. Däubler- Gmelin wie Schäfer hatten einen Sonderparteitag gefordert, um über Konsequenzen aus dem Wahldebakel zu beraten. Mit dieser Forderung standen die beiden aber ziemlich allein da, worauf sie es nun mit Sachsenkönig August halten, der seinen Untertanen empfahl: „Macht euren Dreck alleene.“
Dem alten und neuen SPD-Fraktionschef im Stuttgarter Landtag, Ulrich Maurer, war die Rückzugsmeldung Schäfers gerade einmal zwei Sätze wert: „Ich bedauere und ich danke.“ Aber eigentlich bedauert Maurer nicht, und dankbar ist er schon dreimal nicht. Denn mit Schäfer verläßt einer seiner schärfsten Kritiker das Landesparlament. Nun wird es noch langweiliger in der Fraktion.
Daß ihm nicht einmal die Grünen nachweinen, liegt allerdings an seiner eigenen Ignoranz. Das umstrittene Uraltkernkraftwerk Obrigheim wollte der Umweltminister nur auf juristischem Weg stillegen und scheute die politische Auseinandersetzung. Erreicht hat Schäfer das Gegenteil: Durch seine Auflagen in der Betriebsgenehmigung wurde die ungewisse Zukunft des Atommeilers bis ins nächste Jahrtausend zementiert.
Schließlich muß ihm in den letzten Wochen klargeworden sein, daß er in dieser Partei immer nur Harald B. Schäfer bleiben und nie Harald A. Schäfer werden würde. Zuletzt forderte sogar die Basis seinen Kopf, weil er nach seiner Wahl in den Landtag nicht – wie versprochen – in den Wahlkreis Bietigheim-Bissingen umziehen wollte. Schäfer wohnt nämlich im badischen Offenburg, und da scheint öfters die Sonne. Kein Wunder also, daß sein Entschluß, die politische Bühne zu verlassen, im warmen Italien reifte: Wenigstens in der Toskana haben deutsche Sozialdemokraten noch die absolute Mehrheit. Philipp Maußhardt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen