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Die Welt überläßt Burundi sich selbst

■ Rotes Kreuz stellt Arbeit nach Ermordung von drei Schweizer Mitarbeitern ein. Frankreich ist schon abgezogen

Berlin (taz) – Die Weltöffentlichkeit zieht sich immer weiter aus Burundi zurück, wo im Bürgerkrieg der letzten zweieinhalb Jahre über 100.000 Menschen ums Leben gekommen sind. Nach der Ermordung von drei Schweizer Mitarbeitern des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) am Dienstag beschloß das IKRK gestern die vorläufige Einstellung seiner Arbeit in Burundi und versammelte seine Mitarbeiter in der Hauptstadt Bujumbura.

Die drei IKRK-Mitarbeiter wurden in der nordwestlichen Provinz Cibitoke getötet, als Unbekannte auf ihren deutlich gekennzeichneten Fahrzeugkonvoi das Feuer eröffneten. Nicht bestätigen will das IKRK die Behauptung der Armee, daß Hutu-Rebellen die Morde verübt hätten. Das IKRK müsse nun mit allen Konfliktparteien verhandeln und neue Garantien erwirken, bevor die Hilfsarbeiten weitergehen könnten, hieß es gestern in Genf.

Da internationale Vermittler in Burundi immer wieder alle möglichen Garantien erhalten, die dann nie eingehalten werden, scheinen die Erfolgsaussichten des IKRK gering. Sollte das Rote Kreuz nun völlig aus Burundi abziehen, wäre das symbolisch niederschmetternd. Selbst zum Höhepunkt des Völkermordes im benachbarten Ruanda 1994 war das IKRK als einzige größere Hilfsorganisation immer vor Ort präsent.

In Burundi kämpft die von der Tutsi-Minderheit dominierte Armee gegen die von Hutus getragene Rebellenbewegung „Front zur Verteidigung der Demokratie“ (FDD). Die FDD entstand, nachdem Tutsi-Soldaten im Oktober 1993 den ersten freigewählten Präsidenten des Landes, Melchior Ndadaye von der Hutu-Partei Frodebu, umbrachten. Die 1994 vereinbarte Machtteilung zwischen der Frodebu und den Tutsi-Parteien löste die Krise nicht, sondern machte die Regierung erst recht handlungsunfähig, während die Armee die Hauptstadt und andere Landesteile von Hutus „säuberte“. Die Hutu-Rebellen griffen im Gegenzug von ihren Stützpunkten in Zaire aus Soldaten und Tutsi-Zivilisten an.

Täglich sterben mehrere Dutzend Zivilisten

Die Kämpfe verstärkten sich deutlich, nachdem der Tutsi-Premierminister Antoine Nduwayo vor zwei Monaten zur Bewaffnung der Tutsi-Zivilbevölkerung aufrief: „Wer mit leeren Händen herumläuft, soll sich Waffen besorgen“, sagte er. „Wer mit den Waffen nicht umgehen kann, soll zu den Sicherheitskräften gehen; sie werden ihm sagen, wie das funktioniert.“ Zu den weit über 100.000 Opfern des Bürgerkrieges kommen jetzt täglich mehrere Dutzend hinzu. Allein in der Provinz Cibitoke, wo die IKRK-Mitarbeiter getötet worden sind, starben im April der örtliche Parlamentsabgeordnete Gerard Gahungu und im Mai der Provinzgouverneur Sylvèstre Mvutse bei Anschlägen. Beide gehörten der Frodebu an.

Wenn von „bewaffneten Banden“ in Burundi die Rede ist, kann also inzwischen nicht mehr als sicher gelten, ob es sich um Hutu- Rebellen oder Tutsi-Milizionäre handelt. Beide Seiten verüben Massaker an der Zivilbevölkerung. Auch auf politischer Ebene ist die Lage völlig verfahren: Die Hutu- Rebellen wollen nicht mit der Regierung reden, sondern nur mit der Armee. Die Regierung lehnt das strikt ab und fordert von der Armee härteres Durchgreifen gegen alle bewaffneten Gruppen. Und Teile der Armee überlegen sich, ob sie nicht die Regierung stürzen und direkt die Macht ergreifen sollen.

Die fortgesetzte Eskalation veranlaßt die UNO regelmäßig, laut über eine Militärintervention nachzudenken. Abgesehen davon, daß unklar ist, was UNO-Truppen machen könnten, scheitert das bisher am Widerstand Frankreichs. Um Gründe für ein mögliches Eingreifen zu beseitigen, zog Paris Ende Mai seine 20 Militärberater aus Burundi ab und schloß die französische Schule in Bujumbura. Denn ausländische Aufmerksamkeit, das zeigt auch der Mord an den drei Schweizern, erregt Burundi nur, wenn weiße Ausländer sterben. Wenn keine Weißen mehr da sind, geht das Morden ungestört seinen Gang. Dominic Johnson

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