: Atompilze werden in China weiter leuchten
■ Peking hält an Testprogramm fest. Ratifizierung des Vertrags kann dauern
Berlin (taz/dpa) – Mit dem Verzicht auf „friedliche Atomexplosionen“ hat China einem erfolgreichen Abschluß der Genfer Verhandlungen über einen Stopp von Atomwaffentests grundsätzlich den Weg geebnet. Doch ein sofortiges Ende der chinesischen Atomtests ist damit nicht verbunden. China bereitet sich gegenwärtig auf einen neuen unterirdischen Atomversuch vor. Der 44. chinesische Nukleartest auf dem entlegenen Versuchsgelände Lop Nor im Nordwesten Chinas steht nach Angaben von Experten unmittelbar bevor. Die Tests dienen nach Einschätzung von Experten dazu, eine Verkleinerung von Atomsprengköpfen zu prüfen, die dann nur noch kleinere Trägerraketen erfordern. Von diesen könnten dann auch Mehrfachsprengköpfe getragen werden.
Seit Anfang des Jahres argumentiert die chinesische Führung ohnehin, sich an den Vertrag über den Stopp von Atomwaffentests erst halten zu wollen, wenn er auch ratifiziert und damit in Kraft getreten ist. Das bedeutet, daß die chinesischen Tests erst enden müssen, wenn die Parlamente der anderen Staaten den internationalen Vertrag nach langwierigen Abstimmungsprozessen auch angenommen haben.
„Das kann sich mehrere Jahre hinziehen“, sagte ein Diplomat. Wie lange die Chinesen noch Sprengköpfe zünden werden, hänge davon ab, wie weit sie mit ihrer Testserie kommen. Nach dem noch in diesem Monat erwarteten Test dürfte im Herbst zwischen September und Oktober erneut getestet werden. Um gegen die Atomversuche zu protestieren, wird am Samstag von Manila ein Schiff der Umweltorganisation Greenpeace in Richtung Schanghai starten.
Unklar war gestern auch noch, ob die bisherigen Spionage-Vorbehalte Chinas aus dem Weg geräumt oder von China gänzlich fallengelassen worden waren. Bislang hatte China stets die Einsetzung einer internationalen Kontrollbehörde zur Überwachung des Vertrages verlangt. Eine solche Behörde war aber in dem Vertragsentwurf, den der Vorsitzende der UNO-Abrüstungskonferenz, Jan Ramaker, in der vergangenen Woche vorgelegt hatte, nicht vorgesehen. Nach Ramakers Vorstellungen sollten internationale Kontrollmechanismen und nationale Überwachungsinstrumente gleichrangig zum Einsatz kommen. China befürchtete, daß die USA bei einer derartigen Vertragsregelung ihre weit überlegenen Spionagetechnologien zum Einsatz bringen würden. Unter dem Deckmantel der Überwachung eines atomaren Testverbots könnten somit militärische Geheimnisse anderer Staaten ausspioniert werden, argumentierte die chinesische Seite. Mehrere Diplomaten warnten deshalb auch gestern in Genf vor allzuviel Euphorie über einen baldigen Abschluß der Verhandlungen. Freilich können sich die Diplomaten nicht mehr viel Zeit nehmen. Der Vertrag über einen Atomwaffentest soll nämlich im September der UNO-Vollversammlung in New York zur Unterzeichnung vorgelegt werden.
Ebenfalls auf Bedenken bei vielen Delegierten trifft die Bedingung Chinas, nach zehn Jahren eine erneute Entscheidung über die Wiederaufnahme „friedlicher Atomexplosionen“ herbeiführen zu wollen. Mit der von China geforderten Einstimmigkeit einer solchen Entscheidung erhielte das Land praktisch nach zehn Jahren ein Vetorecht gegen den ausgehandelten Vertrag. Damit sei grundsätzlich die Tür für Tests wieder geöffnet, sagte ein Delegierter. Auch die indische Delegation äußerte Zurückhaltung. „Wir wollen ein umfassendes Testverbot, und das für immer“, sagte deren Delegationsleiterin Anundhati Ghose. Indien will überdies die Atommächte mit dem Abkommen gleichzeitig zu nuklearer Abrüstung verpflichten. Dies war bislang am Einspruch der westlichen Atommächte gescheitert.
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