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Springer will sich warm anziehen

■ Jahresbilanz 1995 des Axel Springer Verlages schließt mit Rekordumsatz und 142 Millionen Mark Gewinn, aber die Auflagen und Anzeigenerlöse stagnieren. Computerdienste sollen ausgebaut werden

Berlin (dpa/taz) – Eigentlich hatte Vorstandschef Jürgen Richter einen glatten Rekord zu vermelden. 1995 hat der Axel Springer Verlag erstmals mehr als eine Million Mark umgesetzt. Auch der Gewinn erreichte einen Spitzenwert von 142,1 Millionen Mark – nach Abzug der Steuern. Das sind fast 320 Millionen mehr als im Vorjahr. 57,8 Millionen Mark Ertrag dürfen die Aktionäre mit einer Dividende von 14 Mark und einem sogenannten Jahresbonus von 3 Mark unter sich aufteilen.

Trotzdem war Jürgen Richter nicht recht glücklich, als er gestern diese Zahlen bekanntgab. Zwar hat die Bildzeitung weiter zugelegt und wird zur Zeit mit 4,5 Millionen Exemplaren täglich verkauft. Bei der notorisch defizitären Welt (Auflage: 205.454) sei es immerhin gelungen „Schritte zur wirtschaftlichen Konsolidierung“ einzuleiten. Ein „Anlaß zu Jubelmeldungen“ sei das nicht, die Welt bleibe aber nun mal „die wichtigste Stimme“ des Verlages, sagte Richter. Doch fast alle anderen Springer-Titel stagnierten oder mußten Einbußen hinnehmen. Insgesamt sank die Zahl der verkauften Zeitungsexemplare um 1,1 Prozent, in Ostdeutschland sogar um vier Prozent.

Und noch härtere Zeiten stehen bevor. Schon jetzt seien die Erwartungen für das laufende Geschäftsjahr „nicht ganz erreicht“ worden. Richter rechnet nur mit einer „stabilen Ergebnisentwicklung“. Finanzvorstand Falk Ettwein konnte bestätigen, daß im ersten Quartal der Umsatz um vier Prozent Größe gewachsen sei, das Ergebnis jedoch befinde sich lediglich „auf Vorjahresniveau“.

Nicht nur die Auflagen, auch die Anzeigenerlöse stagnieren, das gilt vor allem für den überregionalen, aber ganz besonders für den extrem schwierigen Markt der Hauptstadt. Betroffen sind nicht nur Springers Tageszeitungen, ebenso schweren Stand neben den weit attraktiveren elektronischen Medien haben Wochenblätter und Programmzeitschriften.

Aber gerade hier habe der Verdrängungswettbewerb mit dem von Gruner+Jahr ausgelösten Preiskampf bei den 14tägigen Titeln eine neue Dimension erreicht, klagt Richter. Den „Auflagenverlusten bei den klassischen Programmzeitschriften“ stünden lediglich Zuwächse bei den „niedrigpreisigen Wochentiteln und den 14tägigen Blättern gegenüber.

Noch verdient Springer sein Geld fast ausschließlich mit Printmedien. Dieser Markt ist ausgereizt. Die „stärksten Wachstumschancen“ vermutet Richter denn auch in den neuen Bereichen des „electronic publishing“. Dazu gehören heute die Online-Ausgabe der Welt im Internet, die Beteiligung am Onlinedienst-Joint-Venture von Bertelsmann, T-Online und AOL, im Printbereich kommt dazu noch die 14tägig erscheinende Computer-Bild.

In das digitale Fernsehen, das noch in diesem Jahr eingeführt wird, will Springer vorerst nicht einsteigen, sagt Richter, nur das Engagement beim Privatsender Sat.1 soll aufgefrischt werden. Zur Zeit werde an einem „Boulevard- Magazin Bild-TV“ gearbeitet, das im Rahmen von Sat.1 ausgestrahlt werden soll. Für neue regionale Programme will Richter zudem Computernetze nutzen. Als „Dritte Säule“ des Wachstumspakets sei die Einführung eigener regionaler Online-Dienste geplant – zunächst für die Ballungsräume Berlin und Hamburg. nh

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