Gast-Störzeile: Bezahlt die SAGA Res Bosshart?
■ Ein Zwischenruf zum Stand freier Theaterarbeit in Hamburg
Während die freie Theaterszene in Berlin, Köln, München oder Wien einen festen Platz in der jeweiligen Kulturlandschaft erobert hat, liegt diese Szene in Hamburg in den letzten Zügen. Das Tor zur Welt bietet den Hamburgern zwar allabendlich ein buntes Show-Programm von ausgesuchter Lustigkeit, und auch der Tagestourist aus Eisenach weiß sich kaum zu entscheiden zwischen Cats, Phantom der Oper, Herbertstraße, Buddy Holly oder Fifty Fifty. Doch: Wo verstecken sich die Jungen Wilden des Sprechtheaters? Wo sind die Kamikaze-Schauspieler, die noch aus jedem U-Bahnhof eine Bühne machen können? Wo steckt die Bühnenbefreiungsfront?
Daß Ihnen und uns jetzt nicht sofort zehn bis zwanzig Künstler und Theatergruppen einfallen, die sich in den letzten Monaten mit ihren Produktionen in unser Bewußtsein genagt haben, das hat einen Grund: Es gibt sie nicht! Die Spitzenkräfte der Hamburger Kreativen scheinen sämtlichst in Werbeagenturen und im Musical-Management beschäftigt zu sein, so daß für die Leitung von Kampnagel und Kulturbehörde nur noch Second-Hand-Kräfte zur Verfügung stehen.
Die Kulturbehörde entwickelt äußerst einseitige Förderungskriterien für die freie Theaterarbeit, und die Kampnagelleitung legt es offenbar darauf an, die Produktionskapazitäten und Zuschauerzahlen so weit herunterzufahren, bis der Bau von Sozialwohnungen auf dem Gelände bald tatsächlich als einzig richtiges Nutzungskonzept erscheint. Zum anderen lassen sich aber offenbar auch zuviele freie Theatermacher von dieser Situation entmutigen.
Natürlich ist es frustierend, wenn die etablierten Bühnen wenig Interesse zeigen, jungen Teams und ihren Produktionen Chancen einzuräumen. Und natürlich müßte Kampnagel seine zahlreichen Hallen weniger oft leerstehen lassen. Und natürlich ist es Unsinn, die Förderungswürdigkeit eines Theaterprojekts davon abhängig zu machen, ob und wieviele Fernsehmonitore auf der Bühne eingesetzt werden, aber müßte nicht eine viel größere Anzahl der erträumten Produktionen trotzdem stattfinden? Wir glauben, ja!
Also, bindet Kneipentische zu Bühnen, Taschenlampen zu Scheinwerfern, Wischlappen zu Perücken und tut es!
Und du, lieber Zuschauer, wenn du irgendwo eine Horde Unbeugsamer siehst, die in einem Einkaufswagen unter einer Straßenlaterne King Lear geben, dann tritt näher und laß dir das nicht entgehen: Es sind Besessene am Werk.
Support your local heroes!
Kristian Baader
(Baader-Ehnert-Kommando)
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