■ Helm ab zum Kommentar!: Publizistisches Gelöbnis
Bundespräsident Roman Herzog (CDU) hat neulich vorm Berliner Schloß Charlottenburg öffentlich Soldaten gelobt: „Sie sind keine Mörder – im Gegenteil.“ Von der Logik her nicht mehr feierlich, doch immerhin steckte fast schon Dada im Dumpf.
Die bundesdeutschen Kommentatoren der Reserve hingegen machten am Morgen nach dem Gelöbnis ganz stinknormal Meldung: Die „Aufwiegler in der Protestkulisse“ (Südwest-Presse) haben halt ein „verkrampftes Verhältnis“ (Münchner Merkur) zu den Streitkräften. Und sie können deshalb auch nicht begreifen, daß unsere Jungs von der starken Truppe in Jugoslawien gerade „Friedensdienst pur“ (Neue Osnabrücker Zeitung) leisten.
So und nicht anders mußte es ja kommen, denn „allzu gefügig haben Politik und Gesellschaft seit den 68er Jahren hingenommen, daß die Bürger in Uniform buchstäblich ins Abseits gedrängt wurden. Städtische Plätze und andere zentrale Areale wurden fast jedermann geöffnet, nur nicht den Soldaten, wenn sie sich mit Uniformen, Fahnen und Gelöbnis zeigen sollten“ (Rheinische Post).
Einen schönen Vorschlag für das nächste Berliner Gelöbnis macht der Berliner Tagesspiegel: „Im Olympiastadion wäre Platz genug gewesen für die zumeist eingewanderten Bürgerkinder, ihrem Frust freien Lauf zu lassen.“ Sportive Entsorgung ganz im Sinne von Pinochets Chile. Wegsperren, die „gewaltbereite Minderheit“ (Westfälische Nachrichten) und ihren „Protest um des Protestes willen“ (Neue Osnabrücker Zeitung).
Im Stadion können sie dann ungehört verhallen, der „blühende Unsinn“ (General-Anzeiger), das „irrationale Vokabular des linken Spektrums“ (Mannheimer Morgen).
Und bald schon, wenn die Bundeswehr endlich „eingetaucht ist in den Alltag der Republik“ (Hessische Allgemeine) und die „Geiferer gegen die demokratische Armee“ (Dithmarscher Landeszeitung) ihr „totalitäres Denken“ (Berliner Morgenpost) endlich einstellen, könnte ein öffentliches Gelöbnis junger Rekruten in Berlin „so normal sein wie in jeder anderen Garnison auch“ (Nordwest-Zeitung).
Schließlich „sprechen die Soldaten bei der Begründung ihres besonderen Dienstverhältnisses nur das aus, wozu jeder bekennende Verfassungspatriot dieses Landes bereit sein müßte, wenn es einmal um den Bestand von Demokratie und Rechtsstaat ginge“. Jawoll! Aber nur, wenn das FAZ-Abonnement auch im Schützengraben pünktlich zugestellt wird. Hans-Hermann Kotte
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