„Guter schottischer Trank“

Keltische Mönche brannten und tranken den ersten Whisky. Bis heute ist offen: Wie kommt der Geschmack in den Whisky?  ■ Von Hans-Günter Semsek

Vor rund 500 Jahren, also 1494, wurde in Schottland zum erstenmal die Destillation von Whisky urkundlich erwähnt. Ein gewisser Friar John Cor hatte mehrere Scheffel Gerste eingekauft, um – wie die Chronik berichtet – „wherewith to make aqua vitae“, daraus ein hochprozentiges Wasser des Lebens zu brennen.

Keltische Mönche waren es, die im 6. Jahrhundert die Geheimnisse der Destillation erforschten, den ersten Whisky brannten und ihm alsbald tatkräftig zusprachen. „Uisce Beathad“, Lebenswasser, nannten die frommen Brüder auf gälisch den starken Fusel und hörten fortan nicht mehr auf, das scharfe Zeug durch ihre Kehlen zu schütten. Schon bald sah sich der irische Abt Columban genötigt, drakonische Strafmaßnahmen zu ergreifen: Ein Priester, der nach zu viel Sprit seine vorgeschriebenen Gebete nur noch lallen konnte, mußte etliche Tage bei Wasser und Brot darben, und ein Bischof, dem vor lauter Fusel im Magen die Hostie wieder hochkam, hatte gleich mehrere Wochen zu büßen. Doch auch solche Härten hielten die Mönche nicht davon ab, weiter exzessiv zu bechern, und die alltäglich stockbreiten Ordensmänner trugen eine Fahne vor sich her, die einen zeitgenössischen Chronisten „an einen Gestank wie von Unschlitt erinnerte“.

Der Sprit aus jener frühchristlichen Ära hat natürlich nichts gemein mit dem heutigen aromatischen Malt Whisky, sind doch die Brennmethoden in den letzten 1.400 Jahren enorm verfeinert worden.

Im Osten Schottlands, entlang des River Spey und seinen lieblichen Nebentälern, konzentrieren sich die Destillen und brennen den echten Malzwhisky, den Pure Single Malt. Der ist nicht vergleichbar mit den billigen Rachenputzern aus deutschen Supermarktregalen, nein, hier handelt es sich wahrhaft um das Wasser des Lebens. Der schottische Nationaldichter Robert Burns, dem Whisky hingebungsvoll zugetan (dafür allerdings auch im Alter von 36 Jahren verstorben), jubelte über seinen hochprozentigen Ideengeber und Durstlöscher: „Oh du, meine Muse! Guter alter schottischer Trank! Feure mich an, bis ich stammelnd und zwinkernd deinen Namen preise!“

Überall im Land des River Spey erkennt der Besucher die Destillen an den pagodenförmigen Dächern der Kilns. In diesen Darrehäusern wird angefeuchtete Gerste (Barley) zum Mälzen gebracht und über dem Torffeuer wieder getrocknet. Der dichte, durch die Gerste ziehende Torfrauch verleiht dem Korn eine ganz eigene Würze, und je nach Dauer und Intensität beeinflußt dieser Vorgang bereits den späteren Geschmack des Whiskys.

Die feingemahlene Gerste, der Grist, wird nun mit heißem Quellwasser gemischt. Das heiße Wasser löst den Zucker aus dem Grist, und diese süße Flüssigkeit nennen die schottischen Brenner Wort. Ist die Maische erkaltet, wandelt die hinzugegebene Hefe den Zucker im Wort zu Alkohol um. In riesigen, zwölf Meter hohen Bottichen mit über 50.000 Liter Fassungsvermögen, gärt das Gebräu blubbernd zum Wash, auf dessen Oberfläche sich während der Fermentierung graue Schaumberge türmen.

Der Wash nun wird in Brennblasen, den sogenannten Pot Stills, destilliert. Diese kupfernen Kessel spielen eine wichtige Rolle, denn sie dienen der Kondensierung verschiedener Aromastoffe und verhindern die Bildung giftiger Verbindungen wie etwa dem Dimethylsulfid, das zu Bewußtlosigkeit und in höheren Dosierungen zum Tode führen kann. Jede Destille im schottischen Hochland hat für ihre Pot Stills ein eigenes Design, denn lange Kondensatorenhälse der Kessel bringen einen leichten Whisky, kurze Hälse einen schwereren Brannt hervor. Bis zu dreimal läuft das Destillat durch die Brennblasen, und am zollamtlich versiegelten Spirit Safe entscheidet der Brennmeister, der Stillman, welches Destillat zur Reife gelagert wird. Mit gewienerten kupfernen Handrädern öffnet er Ventile und leitet den leitungswasserklaren, noch weitgehend ungenießbaren Whisky in die Fässer.

Wie nun genau der Geschmack in das Destillat kommt, weiß man bis heute nicht genau. Chemiker analysieren seit langer Zeit an den fast tausend Substanzen herum, die so einen Brannt ausmachen, ein wissenschaftlicher Durchbruch aber konnte bislang nicht erzielt werden. Daß überhaupt mit soviel Verve nach den Ingredienzen geforscht wird, hat einen einfachen Grund: Wahre Malt Whiskys, wie etwa ein Glenlivet, ein Glenfiddich oder ein Highland Park, benötigen fünfzehn Jahre lange Reifezeiten – die in den Himmel abwandernde Verdunstungsquote beträgt zwei Prozent und wird von den Brennern recht nett Angel's Share genannt. Es ist das Ziel der Spritforscher, diese teure Lagerhaltung zu verkürzen.

Billiger Whiskyfusel wird aus einer Maismaische in Kolonnendestilliergeräten (Patent Stills) zu Alkohol „veredelt“. Dieses Feuerwasser verschneidet man dann mit einem guten Malt, damit auch ein trinkbares Produkt dabei herauskommt. Es sind nun die Hersteller dieses minderwertigen Destillats, die die Wissenschaftler auf den Malzwhisky angesetzt haben, damit in den Hexenküchen der modernen Alchimisten solch exzellenter Brannt schneller hergestellt werden kann.

Doch die Experten taten sich lange Zeit schwer. Jüngst allerdings scheinen die Fuselforscher eine wichtige Entdeckung gemacht zu haben. Ein Wirkstoff namens Lignin liegt nun im Visier der Wissenschaftler. Das flüchtige und kompliziert aufgebaute Molekül füllt die Zellmembranen aus und läßt diese beim Wachstumsprozeß der Bäume zu Holz werden. Bei der Whiskylagerung in Holzfässern löst Lignin eine Vielzahl von chemischen Reaktionen im Brannt aus, die zur Bildung von Coniferylalkohol und Vanillinsäure führen – wichtige Stoffe für die Aromabildung. Die Spritexperten wähnen sich auf dem richtigen Weg, denn in Fässern, deren Holz kein Lignin mehr enthält, kommt auch kein Whisky zur geschmacklichen Reife, er bleibt ein untrinkbarer Rachenputzer.

Gott sei Dank kann man dieses Lignin bisher nicht synthetisch herstellen, wir sind also noch geschützt vor einem Chemiewhisky aus dem Labor. Da kann man weiterhin nur hoffen, daß die Prophezeiung eines sachkundigen Branntfreundes weiterhin Bestand hat; der schrieb nämlich im 16. Jahrhundert: „Wuski muß man zum Holze geben, nur dorten er seine Seele erhält. Auf welche Weise sich aber dies Wunder vollzieht, ich sage es Euch, der Mensch vermag es niemals zu deuten.“