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Ozonschicht über Berlin wird dünner

■ Potsdamer Meteorologen: Konzentration in der Atmosphäre ging um bis zu 12 Prozent zurück, UV-Belastung deutlich erhöht. Stratosphärische Wolken wie im Ozonloch entdeckt. FCKW als Ursache

Der Himmel über Berlin schützt immer weniger. In den vergangenen 16 Monaten lag die Konzentration von Ozon in der Stratosphäre über Berlin und Potsdam teilweise bis zu 12 Prozent unter dem langjährigen Mittelwert. Das zeigen Berechnungen des Meteorologischen Instituts Potsdam. Durch den Rückgang der schützenden Ozonschicht in etwa 20 Kilometern Höhe habe sich die Belastung von Menschen, Tieren und Pflanzen durch ultraviolette Strahlung vergrößert, erklärte Uwe Feister vom Meteorologischen Institut Potsdam.

Die Potsdamer Werte beruhen auf einer 30jährigen Berechnung der Ozonkonzentration in einer „vertikalen Säule“ vom Boden bis zum Ende der Atmosphäre. In dieser Langzeitstudie hat sich ein Mittelwert für den Ozongehalt der Luft ergeben. Bisher waren über Mitteleuropa nur kurzzeitige Ausdünnungen der Ozonschicht besonders im Winter beobachtet worden. Neue Berechnungen zeigen nun, daß langfristig der Mittelwert in den Jahren 1995 und 1996 unterschritten wurde: mindestens um 3 Prozent, im April 1995 und Januar 1996 schon um 10 Prozent und im April 1996 sogar um 12 Prozent. „Die Abnahme hat sich seit 1992 verschärft“, erklärt Feister. „Ich habe dafür keine andere Erklärung als die Wirkung von Fluorchlorkohlenwasserstoffen, den FCKWs, in der Atmosphäre.“

Möglicherweise ist die Ozonschicht in der entscheidenden Höhe von 20 Kilometern auch noch dünner, als es diese Messungen aussagen: denn durch den Sommersmog sei der Anteil des bodennahen Ozons gestiegen, was in die Berechnungen der „vertikalen Säule“ mit eingehe, meinte Feister. Bei einem allgemeinen Rückgang der Ozonkonzentration und einer Zunahme am Boden müsse die Abnahme in den oberen Bereichen also noch deutlicher sein.

Die Berechnungen über eine Ausdünnung der Ozonschicht über Deutschland würden durch Berechnungen und Messungen anderer Institute südlich von Berlin und am Alpenrand bestätigt, meint Feister. Gestützt wird die Aussage auch durch die Entdeckung von besonderen Eiswolken in der Atmosphäre über Berlin: Experimentalphysiker der Freien Universität hatten am 15. Februar und am 4. März 1996 mit einem neuen Instrument namems LIDAR erstmals „stratosphärische Wolken“ aus Eis, Salpetersäure und Salzsäure im Himmel über Berlin entdeckt. Diese Wolken tragen ebenfalls zum Abbau der Ozonschicht bei und wurden bislang nur in den Ozonlöchern über den Polen gesichtet. Sie tauchten über Berlin just zu dem Zeitpunkt auf, an denen die Berechnungen der Potsdamer Meteorologen eine dramatische Abnahme der Ozonkonzentration belegen. „Man kann annehmen, daß es Korrelationen zwischen diesen beiden Tatsachen gibt“, meint Feister. „Aber das ist nicht zwingend. Denn der Ozonabbau durch die stratosphärischen Wolken dauert mehrere Tage, hätte sich also möglicherweise später zeigen müssen.“

Über die Auswirkungen der Ozonabnahme auf verstärkte UV- Strahlung und Schädigungen von Menschen, Tieren und Pflanzen in der Region Berlin-Brandenburg gibt es keine verläßlichen Statistiken. „Wir gehen aber bei einer Abnahme von 10 Prozent Ozon von einer Zunahme der UV-Belastung um 30 Prozent aus“, meint Feister. Davon allerdings muß nicht alles auf der Erde als hautkrebserregende Strahlung ankommen: Im Sommer 1993 etwa habe es bereits 10 Prozent Ozon unter dem Mittelwert gegeben, doch da außergewöhnlich viele Wolken in diesem Sommer die Strahlung abschirmten, wurde auf der Erde nur eine Erhöhung von 5 bis 10 Prozent gemessen.

Der bündnisgrüne Abgeordnete Hartwig Berger hat angesichts der Daten vor „australischen Verhältnissen“ gewarnt, wo sich Menschen nur noch begrenzt der Sonne aussetzen könnten. Den Senat kritisierte er für das Fehlen eines Registers über Hautkrebs und Augenkrankheiten, mit dem die Belastung durch UV-Strahlen empirisch belegt werden könnte. Auch wenn das Problem einer Verringerung der Ozonschicht nicht regional gelöst werden könne, solle der Senat doch handeln. Schließlich, so Berger, „trägt Berlin durch Nachlässigkeit zum Entweichen von Ozonkillern in die Atmosphäre bei“. Nur etwa die Hälfte aller Kühlschränke würden über die BSR entsorgt und das ozonfressende Kühlmittel FCKW dabei abgesaugt. Die andere Hälfte gingen an den Handel und würden dort ohne FCKW-Entsorgung zerlegt. Bernhard Pötter

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