: Kritische Ethik-Diskussion
In der taz vom 8. Mai hatte der Hamburger Rechtsphilosoph Reinhard Merkel angesichts der neuen medizinischen Entscheidungssituation für eine „Ethik der Unsicherheit“ plädiert. Die Möglichkeiten der pränatalen Diagnostik und der Fortschritt der Intensivmedizin stellten, laut Merkel, ÄrztInnen und Pflegepersonal heute vor neue moralische Fragen, mit denen sie von der Gesellschaft „nicht allein gelassen werden“ dürften. Dem Interview folgte unter dem Titel „Ethik-Experten auf Abwegen“ eine Replik des Journalisten Oliver Tolmein (taz vom 25. 5.)
Obwohl Merkel den australischen Bioethiker Peter Singer ausdrücklich kritisiert hatte, sieht Tolmein in der Argumentation von Merkel das Ziel, „sich die als kritisch empfundenen ,Fälle‘ möglichst risikolos vom Hals zu schaffen“. Indem er „Wachkomapatienten“ kein „personales Subjekt“ zuspricht, trete Merkel, so Tolmein, „hier in die Stapfen des positivistischen Strafrechtslehrers Karl Binding, der in den zwanziger Jahren auch vehement für die Freigabe der Vernichtung ,lebensunwerten Lebens‘ stritt“.
Diesem Vorwurf tritt Merkel entschieden entgegen: Tolmein verfälsche absichtlich Positionen, um dann seinen „Faschismusverdacht“ darauf zu hetzen. taz
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