: Süßliche Streicherteppiche, glatte Melodien
■ Der Musiker Dr. L. Subramaniam kommt aus Sri Lanka und hat Europapremiere in Berlin
Dr. L. Subramaniam wuchs mit Musik auf. Sein tamilischer Vater arbeitete als Geiger am Rundfunkorchester von Colombo, Sri Lanka. Bereits als Kind trat Subramaniam im südindischen Madras auf, bald stieg er zu einem der besten Instrumentalisten südindischer Kunstmusik auf.
Die Liste seiner Platten wurde länger und länger. Subramaniam lernte Ravi Shankar kennen und begleitete George Harrison. Er begann mit Jazzmusikern wie Stephane Grappelli, Herbie Hancock und Stanley Clarke zu spielen, dann mit Zubin Mehta, Yehudi Menuhin und Ruggiero Ricci; er arbeitete mit Peter Brooks zusammen und schrieb Filmmusiken für „Salaam Bombay“ und „Little Buddha“.
Vor fünfzehn Jahren begann Subramaniam auch im westlichen Stil zu komponieren: Konzerte für Flöte, Violine und Orchester, die „Fantasy on Vedic Chants“ für Violine, Perkussion und Orchester, „Reflections“, uraufgeführt zum „Festival of Asian Performing Arts“ in Singapur. Von Madras über Los Angeles, Moskau und Singapur – nun nach Berlin. Seit Wochen herrscht in der winzigen Musikredaktion von Radio Multikulti Panik: Hier, so hat es der große Mann bestimmt, soll die „Global Symphony“ ihre Europapremiere erleben. Über zwanzig Rundfunkanstalten von Norwegen bis Südafrika werden im Haus der Kulturen mitschneiden.
Subramaniams Musik hebt vorsichtig an, indisch: ein langer Bordun, dazu Harfen-Arpeggien, ein Streicherteppich; vorsichtige Melodiefetzen, Glockenspiel, dann noch mehr Streicher; die Musik steigert sich, wird kolossal: Die Global Symphony ist ein Monstrum. Für indische Ohren muß es kühn und avantgardistisch klingen: All die Ragas, Talas, das Ineinander aus westlicher Konzert- und südindischer Kritiform. Für Europäer bleibt es ein gigantischer Schmachtfetzen. Nur die kurzen Momente, wenn sich indische und europäische Traditionen unvermischt übereinanderschieben, vermitteln Spannung, dann klingt es wenigstens postmodern. Was haben süßliche Streicherteppiche und glatte Melodien mit europäischer Kunstmusik des 20. Jahrhunderts zu tun? Subramaniam hält der Weltmusik einen Spiegel vor: Fremde Kulturen werden eben immer auf ihre „Traditionen“ festgelegt, auch wenn diese in Wirklichkeit schon längst nicht mehr existieren. Nur daß es diesmal unsere eigene Kultur trifft. Martin Greve
Veranstaltung: 16. Juni, 20 Uhr, Haus der Kulturen der Welt, Dr. L. Subramaniam, Rias-Jugendorchester, Mitglieder des Chores der Deutschen Oper Berlin, Solisten aus Indien, Ägypten, Japan
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen