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Der Kriegsherr des Tschad wird zum Demokraten

■ Der voraussichtliche Wahlsieg von Präsident Déby sichert Frankreichs Einfluß

Berlin (taz) – Der Sieg ist ihm so gut wie sicher. 48 Prozent der Stimmen hat der Präsident des Tschad, Idriss Déby, in der ersten Runde der ersten freien Präsidentschaftswahl des Sahel-Staates erreicht – knapp weniger als die absolute Mehrheit. Nun muß er sich am übernächsten Sonntag einer Stichwahl stellen, die er wohl souverän gewinnen wird, denn sein Gegner Abdelkaber Wadal Kamougue erreichte lediglich elf Prozent. Der Rest verstreut sich auf eine Unmenge von Kandidaten, die die Zerstrittenheit der in 58 Parteien und etwa ein Dutzend bewaffnete Bewegungen zersplitterten tschadischen Opposition widerspiegeln.

Zwischen dem Wahltag am 2. Juni und der Bekanntgabe des Ergebnisses verging fast eine Woche, was für die Korrektheit des Procederes spricht: Hätte Präsident Déby es darauf angelegt, hätte er sich schon längst zum Sieger des ersten Wahlgangs erklären und auf mögliche Proteste der Opposition warten können. Aber das wäre unglaubwürdig gewesen, da wohl selten auf der Welt eine Wahl unter so schwierigen logistischen Bedingungen stattgefunden hat.

Auf dem riesigen Territorium des Tschad, der fast vollständig aus Wüste besteht, verlieren sich gerade mal 3,5 Millionen Menschen im wahlfähigen Alter, zumeist weitab von Straßen und Stromleitungen. Die Stimmabgabe wurde in einigen Gegenden über mehrere Tage gestreckt, um auch die letzten Nomaden zu erreichen, was die mit 76 Prozent sehr hohe Wahlbeteiligung erklärt. Das Zusammentragen der Ergebnisse dauerte dann noch mal ziemlich lange.

Eine von Frankreich organisierte Wahl

Daß der Tschad, eines der ärmsten Länder der Welt, überhaupt Wahlen veranstaltet, ist der einstigen Kolonialmacht Frankreich zu verdanken. Paris bezahlt nicht nur fast die ganzen Kosten des Wahlmarathons – über die Wählerregistrierung im vergangenen Winter und die Annahme einer demokratischen Verfassung per Referendum im März bis zur jetzigen Präsidentschaftswahl und zur bis November fälligen Wahl eines Parlaments. Auch Wahlzettel, Wahlplakate und die Einrichtung der Wahlbüros stammen aus Frankreich. Die 800 französischen Soldaten im Land – Rest des Expeditionskontingents, das in den 80er Jahren den nördlichen Nachbarn Libyen aus dem Tschad hinausdrängte – übernahmen auch die Logistik: Mit den Flugzeugen der französischen Luftwaffe wurden Wahlprotokolle in die Hauptstadt geflogen und Wahlbeobachter transportiert. Daß die mehrfach verschobene Wahl überhaupt zustande kam, ist einem Ultimatum zu verdanken, das die Regierung in Paris Idriss Déby im vergangenen Herbst bei einem Besuch stellte.

Déby ist eher ein Kriegsherr als ein Demokrat, aber das hat er mit allen seinen Vorgängern gemein. Mit Milizionären aus seinem osttschadischen Zagawa-Volk ergriff Déby Ende 1990 die Macht, als er die Hauptstadt Ndjamena eroberte und seinen Vorgänger Hissein Habré ins Exil schickte. Die Zagawa-Kämpfer bilden auch heute noch das Rückgrat der Präsidialgarde. Vor allem in den Jahren von 1992 bis 1994 errichteten die Zagawa-Milizen ein regelrechtes Terrorregime. So wurde Joseph Behidi, Vizeführer der tschadischen Menschenrechtsliga, 1993 in den Straßen Ndjamenas umgebracht; im Süden des Landes herrschte Bürgerkrieg, als Regierungssoldaten mordend und plündernd auf der Suche nach Rebellen durch die Dörfer zogen. Zugleich verstand sich Déby auffallend gut mit den Militärherrschern des östlichen Nachbarn Sudan. Im Mai 1995 schlug er nach dem Vorbild der sudanesischen Junta die Einführung des islamischen Rechts vor. Als alleinige Unterrichtssprache wollte er Arabisch etablieren.

Damit hätte Déby den Tschad wohl in einen ähnlichen Bürgerkrieg gestürzt wie der im Sudan. Die Bewohner des Südens haben sich nie für die unendlichen Kriege zwischen nordtschadischen Warlords begeistern können. Sie stehen der Zentralmacht seit jeher skeptisch gegenüber. Die aber ist auf den Süden angewiesen: Der südliche „nützliche Tschad“ an den Grenzen zu Kamerun und zur Zentralafrikanischen Republik ist die einzige fruchtbare Agrarregion des Landes. Zumindest theoretisch gedeiht dort Baumwolle für den Export, und vor wenigen Jahren wurden dort auch noch große Ölvorkommen entdeckt.

Das Konsortium, das sie ausbeuten soll, gehört zu 64 Prozent den Ölmultis Exxon und Shell, und mit den Prospektoren aus den Vereinigten Staaten strömten auch jede Menge protestantisch-fundamentalistischer Prediger in den Süden. Das gefährdete nach französischer Sicht entschieden die Pariser Hegemonie in Zentralafrika. Frankreich und sein engster Freund in der Region, Gabuns Präsident Omar Bongo, verdonnerten Déby also zum Friedensschluß mit den südlichen Rebellen und zur Ausarbeitung eines Wahlkalenders. Zwar ist der Friedensschluß noch nicht geglückt, da eine Friedenskonferenz in Gabun im vergangenen Januar scheiterte. Aber Déby hat trotzdem seine Soldaten im Süden zurückpfeifen müssen, denn nur so war die Wahl möglich, der die südlichen Politiker mit großer Skepsis entgegenblickten.

Als gewählter Präsident wird Déby nun eine Autorität reklamieren können, die ihm bisher fehlte. Das ermöglicht vielleicht die förmliche Versöhnung zwischen Nord und Süd. „Wenn wir es schaffen, eine Demokratie zu errichten und eine Armee aufzubauen, die im Dienste der Nation steht anstatt im Dienste eines Clans, verschwindet die Nord-Süd-Rivalität von selbst“, sagte kürzlich der frühere Präsident Goukouni Weddeye. Déby ist nun auf dem besten Weg, zumindest die Hälfte dieser Aufgabe zu bewältigen. Dominic Johnson

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