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Die kleinsten Finger sind die besten

■ ILO: Hunderte Millionen Kinder müssen arbeiten. Norbert Blüm will Entwicklungshilfe an Verbot knüpfen

Genf (AP/taz) – Mehrere hundert Millionen Kinder werden weltweit als Arbeitskräfte mißbraucht. Einem gestern veröffentlichten Bericht der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zufolge müssen 13 Prozent aller Kinder arbeiten. Nach einer ILO-Statistik arbeiten 73 Millionen Kinder im Alter zwischen zehn und 14 Jahren; würden außerdem jüngere Kinder berücksichtigt sowie Mädchen, die als Hausangestellte arbeiten, seien es mehrere hundert Millionen, heißt es.

Am weitesten verbreitet ist die Kinderarbeit in Afrika, wo jedes vierte Kind zwischen 10 und 14 Jahren arbeiten muß, gefolgt von Asien und Lateinamerika. Aber auch im wohlhabenderen Südosteuropa arbeiteten Kinder in der Landwirtschaft, im Straßenhandel und in kleinen Werkstätten. Während die Kinderarbeit in Asien langsam seltener wird, nimmt sie laut Bericht in Afrika und Lateinamerika weiter zu, ebenso in Mittel- und Osteuropa und in den USA.

Viele würden gezwungen, bereits im Alter von fünf oder sechs Jahren zu arbeiten. Auf dem Land arbeiten 90 Prozent der arbeitenden Kinder innerhalb der Familie. Meist sind nach Erkenntnissen der ILO die Arbeitszeiten so lang, daß für Schule keine Zeit bleibt. „Die Kinderarbeiter von heute werden die ungebildeten und ungelernten Erwachsenen von morgen sein, die für immer in quälender Armut gefangen sind“, sagte der ILO-Generaldirektor Michel Hansenne.

Immer jüngere Kinder werden prostituiert

Das Alter von Kinderprostituierten wird laut ILO immer niedriger, weil Freier aus Angst vor Aids jüngere und vermeintlich nicht infizierte Mädchen verlangten. Ein weiteres Problem sei die Sklavenarbeit, die vor allem in Südasien und Ostafrika verbreitet sei. Die ILO spricht von „Schuldenknechtschaft“, da Familien ihre Kinder verkaufen müßten, damit diese ihre Schulden abarbeiteten.

In Genf wollen die Minister, die zur 83. ILO-Konferenz zusammenkommen, am Mittwoch über eine neue Konvention diskutieren, die sich gegen die schlimmsten Formen von Kinderarbeit wendet: gegen Prostitution, Sklavenarbeit und den Umgang mit giftigen Substanzen. Die Konvention wird jedoch erst 1999 fertig sein, da die Mühlen der ILO sehr langsam mahlen. Die bestehende ILO- Konvention, die Kinderarbeit verbietet, ist bisher nur von 49 der 173 ILO-MItgliedsstaaten ratifiziert worden.

Deutschlands Arbeitsminister Norbert Blüm forderte gestern, Kinderarbeit müsse ohne die sonst üblichen Übergangslösungen sofort verboten werden. Die Hilfe des Westens für Länder mit Kinderarbeit müsse an ein Verbot derselben gebunden werden.

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