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SPD beschließt Haushalt wider Willen

■ CDU-Finanzsenator Nölle erklärt SPD für schuldig, GenossInnen reagieren mit Schweigen

Die Abgeordneten der Großen Koalition werden am Donnerstag ihre Hände für die Verabschiedung des vorgelegten Doppelhaushalts 1996/97 heben (vgl. Seite 22). Daran ließ die Debatte, die gestern ganztägig in der Bürgerschaft begann, keinen Zweifel. Bei der großen Mehrheit der SPD-Fraktion findet diese Zustimmung jedoch gegen die eigene Überzeugung statt. Das war gestern zwar nicht in den Reden zu hören, dafür aber umso deutlicher an Mienen und Applaus abzulesen.

Tatsächlich hatte Finanzsenator Ulrich Nölle (CDU) in seiner Eröffnungsrede keinerlei Rücksicht auf die Stimmungslage des Koalitionspartners genommen. „40 Stunden für Beamte, eine Unterrichtsstunde mehr für Lehrer, das sind meines Erachtens keine unzumutbaren Härten“, erklärte er, obwohl sich die SPD aus arbeitsmarktpolitischen Gründen bisher gegen eine Verlängerung der Arbeitszeit im Öffentlichen Dienst sträubt. Die Antwort: lauter Applaus bei der CDU, schmale Lippen und nur ein paar Klopfer um den Fraktionsvorsitzenden Christian Weber herum bei der SPD. In den Schulen sei eine Organisationsreform überfällig. Nölle: „Mir ist jedenfalls unverständlich, daß trotz einer guten Lehrerausstattung so wenig Unterricht bei den Schülern ankommt.“ Bildungssenatorin Bringfriede Kahrs blickte immer genervter von der Senatsbank, in ihrer Fraktion rührte sich gar keine Hand mehr. Schließlich stammt die Hälfte der SPD-Abgeordneten selber aus dem attackierten Öffentlichen Dienst.

Keine Regung bei der SPD, als Nölle eine Fahrpreiserhöhung bei der BSAG ankündigte. Und selbst als der Finanzsenator am Schluß seiner Rede betonte, er müsse nun die „Erblast der vergangenen Jahre“ in „normale Bahnen zurückführen“, blieben die GenossInnen bewegungslos. Protest kam aus ihren Reihen, als CDU-Fraktionschef Ronald-Mike Neumeyer die Rolle seiner Partei anschließend lobte – von der schnellen Aufhebung der „unausgegorenen Verkehrsberuhigung im Ostertor“ über die CDU-Erfolge bei der Gründung neuer Gymnasien bis hin zu einem dicken Lob für Innensenator Ralf Borttscheller: „Es ist sein Verdienst, daß wir erstmals seit Jahren wieder ein Silvester ohne Krawalle auf der Sielwallkreuzung erleben konnten.“

Zustimmendes Nicken war dagegen bei der SPD zu beobachten, als Ralf Fücks die „große Koalition für Arbeitszeitverlängerung im Öffentlichen Dienst“ als „das Gegenteil eines Bündnisses für Arbeit“ angriff. Es folgte die grüne Kritik am geplanten Teilverkauf der Wohnungsbaugesellschaften Gewoba und Bremische. „Mag sein, daß diese Frage die CDU mit ihrem ideologischen Urvertrauen in die Selbstheilungskräfte des Marktes nicht besonders umtreibt“, sagte Fücks, „aber Sie, werte KollegInnen von der SPD, müßten doch laut Halt rufen, wenn der Senat die letzten Reste sozialdemokratischer Wohnungspolitik entsorgt!“ Mancher Genosse hätte das offenbar tatsächlich gerne getan, zu beobachten war zustimmendes Gemurmel und das Nicken einiger Köpfe.

Vorne in der ersten Reihe war Fraktionschef Christian Weber oft der einzige, der den CDU-Rednern Beifall zollte. Mit keinem Wort ging er auf die Breitseiten ein, die Nölle und Neumeyer gegen SPD-Positionen abgefeuert hatten. Stattdessen griff er Fücks an: „Ihr Senatorenstuhl ist kaum abgekühlt und da trauen Sie sich, hier eine lupenreine Oppositionsrede zu halten.“ Ase

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