: "Wir reden auch mit Tätern"
■ Das Anti-Diskriminierungsbüro ist die einzige Beratungsstelle, die Ausländern, Behinderten und Homosexuellen offensteht. Über 200 Anfragen im ersten Jahr
Minderheiten wie MigrantInnen, Homosexuelle und Behinderte haben mindestens eine Gemeinsamkeit: Weil sie „anders“ sind, werden sie „anders “ behandelt, und das nicht selten in erniedrigender oder gar gewalttätiger Weise. Das Anti-Diskriminierungsbüro (ADB) ist die einzige Anlaufstelle in Berlin, die verschiedenen Minderheiten offensteht.
Dreimal wöchentlich bieten die ehrenamtlichen MitarbeiterInnen im Haus der Demokratie in der Friedrichstraße Beratung an. Im vergangenen Jahr kamen mehr als 200 Ratsuchende. So beklagte sich eine lesbische Frau, die mit ihrer Freundin zusammenlebt, daß sie von Jugendlichen und Nachbarn in ihrem Wohnviertel regelrecht tyrannisiert werde. Mitarbeiter vom ADB begleiteten die Frau zur Polizei, um Anzeige zu erstatten. Die Ordnungshüter hatten den Fall zunächst nicht ernst genommen.
ADB suchte auch das Gespräch mit den Nachbarn der Lesben. Ein wichtiges Prinzip der Initiative sei nämlich, nicht nur mit den Opfern, sondern auch mit den Tätern zu reden, betonte ADB-Sprecher Reza Rassouli. Im Falle der Lesbe, die auf der Suche nach Weltoffenheit und Toleranz aus einem kleinen Dorf in die Metropole geflüchtet war, habe sich das Engagement gelohnt – das Frauenpaar würde inzwischen in Ruhe gelassen.
Gespräche zwischen Tätern und Opfern helfen
In einem anderen Fall wandte sich ein Ausländer an das ADB, dem man für ein mobiles Funktelefon eine unübliche Sicherheitsgebühr von 1.000 Mark abknöpfen wollte. Bei Arbeitslosen würde das so gehandhabt, lautete die Begründung des Verkäufers, obwohl der ausländische Mitbürger in einem festen Arbeitsverhältnis stand.
Wenn die ADB-MitarbeiterInnen nicht mehr weiterhelfen können, leiten sie die Ratsuchenden an Rechtsanwälte weiter, die bereit sind, für ein geringes Honorar zu arbeiten. Die Kooperation mit Asylarbeitskreisen, Behindertengruppen oder Homosexuelleninitiativen funktioniere gut, unterstrich Rassouli.
Zum ADB gehört auch eine Jugendgruppe, die eigenständig arbeitet und sich besonders der Öffentlichkeitsarbeit widmet. Sie verteilt zum Beispiel ein Informationsblatt, das über Gewalt und Übergriffe in U- und S-Bahnen berichtet. Dies enthält auch Ratschläge, wie die Angegriffenen reagieren können. Ebenso klären sie in Flugblättern darüber auf, wie wenig behindertengerecht öffentliche Verkehrsmittel sind. Mit Altersgenossen von der Blindenschule in Königs Wusterhausen unternahmen die Jugendlichen im vergangenen Jahr eine Fahrt nach Auschwitz.
Antidiskriminierungs- gesetz für Minderheiten
Ein politisches Ziel des ADB ist die Einführung eines Antidiskriminierungsgesetzes für alle Minderheiten, wie es beispielsweise in Dänemark und den Niederlanden schon existiert. In Holland gebe es ein ganzes Netzwerk von Anti-Diskriminierungsbüros, sagte Reza Rassouli. Fast in jeder Gemeinde befinde sich eines. Die Finanzierung übernehme dort das Land oder die Gemeinden selbst. Von materieller Unterstützung durch den Senat könne das Berliner Büro nur träumen. Ein Antrag auf Unterstützung wurde mit der Begründung zurückgewiesen, es handle sich nicht um eine Selbsthilfeorganisation. Auch die Hoffnung auf eine ABM-Stelle hat sich inzwischen zerschlagen. Das Büro ist folglich auf ehrenamtliche Mitarbeit und Spenden angewiesen.
Die GründerInnen spalteten sich vor einem Jahr von der Initiative SOS Rassismus ab. Inzwischen hat sich das Büro seinen festen Platz erobert, bilanzierte ADB- Sprecher Rassouli. Trotz der finanziellen Schwierigkeiten zeigte er sich optimistisch: „Das ADB wird auf jeden Fall weiterbestehen.“ Stephanie v. Oppen
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