Wenig Druck auf Nigerias Junta

■ Wirksame Sanktionen gegen Nigeria lassen auf sich warten

Bonn (taz) – Drei Jahre nach den letzten Präsidentschaftswahlen in Nigeria, die später vom Militär annulliert wurden, und sieben Monate nach der Hinrichtung des Schriftstellers und Ogoni-Führers Ken Saro-Wiwa gibt es immer noch keine koordinierte internationale Sanktionspolitik gegen das nigerianische Militärregime.

Der Deutsche Bundestag hatte am 1. Dezember 1995 einen Antrag über die „Rückkehr zur Demokratie in Nigeria“ verabschiedet – eingebracht von so unterschiedlichen Politikern wie Wolfgang Schäuble (CDU), Rudolf Scharping (SPD), Joschka Fischer (B' 90/Grüne) und Hermann Otto Solms (FDP). Darin wurde die Bundesregierung aufgefordert, „die Sperrung der Auslandskonten von Angehörigen des nigerianischen Regimes auf europäischer Ebene umgehend durchzusetzen“ und sich „verstärkt für eine Ausweitung der Sanktionen wie ein Importverbot für nigerianisches Erdöl einzusetzen“. Im vergangenen April unterrichtete die Bundesregierung das Parlament über den Stand. Einer vorsichtigen Begründung folgten als Anlage nur zwei „Gemeinsame Standpunkte“ der EU, die schon Ende 1995 beschlossen worden waren.

Zusätzlich zu den 1993 nach der Wahlannullierung eingeführten Restriktionen in der militärischen Zusammenarbeit sind demnach Visabeschränkungen und ein teilweises Waffenembargo gegen Nigeria in Kraft. Darüber hinaus soll sich nach dem Willen der EU auch die UNO künftig intensiver mit Nigeria befassen. Zu der Forderung nach weitergehenden Sanktionen heißt es in dem Bericht jedoch nur, daß eine Sperrung nigerianischer Auslandskonten und ein Ölembargo „nicht durchsetzbar“ seien.

Als Grund dafür gilt die Halbherzigkeit der britischen Ex-Kolonialmacht gegenüber Nigeria innerhalb der EU. Britische Zurückhaltung hat auch verhindert, daß das Commonwealth – das mit der Aussetzung der Mitgliedschaft Nigerias gleich nach Ken Saro-Wiwas Hinrichtung zunächst am schnellsten reagiert hatte – weitreichende Maßnahmen ergreift. Die diplomatischen und kulturellen Beziehungen zu Nigeria sind jedoch eingeschränkt, auch die Erteilung von Visa für Regierungsangehörige – Folge eines Empfehlungskatalogs der ministeriellen Arbeitsgruppe des Commonwealth, „Comag“, der im April beschlossen wurde. Begleitet werden die Maßnahmen auch hier von einem Waffenembargo. Wichtig für die nigerianische Junta ist dabei, daß auch westafrikanische Commonwealth-Mitglieder wie Ghana an die Beschlüsse gebunden sind.

Die spannendsten Entwicklungen kommen derzeit aus den USA. Nicht nur will US-Präsident Bill Clinton Nigeria auf die Tagesordnung des nächsten G-7-Gipfeltreffens in Lyon in diesem Monat hieven. Aufgrund der unermüdlichen Lobbyarbeit schwarzer US-Amerikaner, namentlich der Organisation „TransAfrica“, gehen in Nordamerika jetzt auch Gemeinden dazu über, Firmen zu boykottieren, die in Nigeria Geschäfte machen. Den Anfang machte die Stadt Oakland, die einer Werbeagentur einen Auftrag im Wert von 150.000 Dollar entzog, weil diese auch für die nigerianische Junta wirbt. Städte wie San Francisco, New York, New Orleans und das kanadische Toronto haben Beschlüsse gefaßt, die ähnliche Maßnahmen auch in ihren Haushaltsentscheidungen zulassen. Treffen könnte das den Ölgiganten Chevron und Firmen wie Eastman Kodak und Pepsi.

Das wichtigste Faustpfand, das die Junta in Nigeria neben der exzellenten Qualität „ihres“ Erdöls in den Händen hält, ist ihr militärisches Engagement in Liberia im Rahmen der westafrikanischen Eingreiftruppe „Ecomog“, die sie auch kommandieren. Der Preis, den die internationale Gemeinschaft unter Umständen für schärfere Sanktionen zu zahlen hätte, könnte der Rückzug der Nigerianer aus der 8.000 Mann starken Truppe sein. Auf dieses Risiko wird nicht nur der vorsichtige Umgang der UNO mit Nigeria zurückgeführt – eine UN-Kommission, die vor zwei Monaten Nigeria bereiste, riet nach ihrer Rückkehr von weiteren Sanktionen gegen die Regierung ab und forderte statt dessen „vertrauensbildende Maßnahmen“. Auch die USA, die in ihrer Botschaft in Liberia 200 Soldaten stationiert haben, sind indirekt auf die Ecomog und damit Nigeria angewiesen. Uwe Kerkow