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Auflage statt Niveau

■ Die Stimmung in der „Hamburger Morgenpost“ ist auf dem Tiefpunkt

Mathias Döpfner verbreitete Leerformeln: Von „Qualitätssteigerung“ und „mehr Hamburg“ war die Rede, als der Chefredakteur der Hamburger Morgenpost am Dienstag abend der Redaktion sein Blatt-Konzept „Mopo 96“ erläuterte. Tags zuvor hatte er gleich sieben RessortleiterInnen per Auflösungsvertrag den Stuhl vor die Tür gesetzt (taz berichtete). Sie hätten sich, so sagte er ihnen nach, für seine Ideen „nicht offen“ genug gezeigt.

Doch ohne die sieben RedakteurInnen – von denen zwei auf untergeordneter Position bleiben dürfen, wenn sie wollen – würde nun alles besser werden: Die verwaisten Ressorts sollten erstmal von den bisherigen Vize-RessortchefInnen kommissarisch weitergeführt werden. Zu einem späteren Zeitpunkt allerdings würden sie aufgelöst und neu sortiert werden. Neueinstellungen und zahlreiche Umbesetzungen seien geplant, weitere Kündigungen nicht ausgeschlossen.

Einzelheiten über die „neue, bessere und interessantere Mopo 96“ drangen bisher nicht aus dem Redaktionsgebäude heraus. Doch das Motto hieße, so eine Redakteurin, „mit weniger Niveau mehr Auflage“.

Die braucht die Mopo dringend: Denn unter Döpfner, der seit April die Boulevardzeitung leitet, erreichte die Auflage ein „historisches Tief“. Nach Informationen der NDR Hamburg-Welle sank die Auflage in den vergangenen Monaten abermals um 4.000 Exemplare auf nunmehr 141.000 (1994: 175.000) Exemplare ab.

Den geschaßten MitarbeiterInnen wurden Abfindungen in einer Gesamthöhe von, so wird gemunkelt, einer Million Mark angeboten. Doch die wollen sich erst einmal rechtlich beraten lassen, bevor sie ihren Rausschmiß unterschreiben. Während der Betriebsrat einen Sozialplan fordert, wollen die schreibenden Mopo-MitarbeiterInnen heute erst einmal einen Redak-tionsbeirat wählen, um in Zukunft organisierter aufzutreten. Doch gegen die Gutsherrenmentalität des neuen Mopo-Chefs scheint kein Kraut gewachsen. Ein Redakteur: „Die Stimmung ist auf dem Tiefstpunkt“. Marco Carini

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