: Nato-Osterweiterung spaltet Grüne
■ Linker Flügel scheitert mit Antrag gegen die Erweiterung. Joschka Fischer gibt sich in der Öffentlichkeit bedeckt
Bonn (taz) – Die Grünen stehen vor ihrer nächsten Krise. Die Frage der Nato- Osterweiterung droht Partei und Fraktion zu spalten. So lehnten die Abgeordneten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vorgestern abend mit 27 zu 16 Stimmen einen Antrag ab, in dem der linke Flügel gefordert hatte, sich eindeutig gegen die Osterweiterung des Militärbündnisses auszusprechen. Der Außenpolitiker Christian Sterzing sprach daraufhin von einem „Dammbruch“. Noch vor zwei Wochen hatte Fraktionssprecherin Kerstin Müller gesagt, es gebe klare Beschlüsse der Partei, die auf eine Auflösung der Nato hinzielten, womit deren Erweiterung überflüssig sei. Sie hoffe, daß sich die Fraktion daran halte. Eine Gewissensentscheidung wie bei der Abstimmung über den Einsatz der Bundeswehr in Bosnien könne man für diesen Fall nicht geltend machen. Doch die Fraktion zeigt sich widerspenstig.
Vordenker und Fraktionssprecher Joschka Fischer äußert sich hingegen durchaus aufgeschlossen gegenüber einer Nato-Osterweiterung. So überraschte er vor vierzehn Tagen die Audienz bei einem Vortrag vor Industriellen in den Vereinigten Staaten, als er sich klar zur Nato und den USA als verläßlichem Bündnispartner bekannte und verklausuliert auch der Osterweiterung zustimmte. Auch vorgestern plädierte er gegenüber seinen Fraktionskollegen eindeutig dafür – auf äußerst polemische Art und Weise, verlautete später. Sein Kontrahent Ludger Volmer sagte gar, Fischer habe seine Gegner „mit polemischen Tiraden eingeschüchtert“. In der Öffentlichkeit will Fischer aber nicht so deutlich werden: Gestern sagte er gegenüber der taz: „Sie können nicht schreiben, daß ich für die Osterweiterung bin, aber auch nicht, daß ich dagegen bin.“
Bereits vor mehreren Wochen hatten Volmer und die verteidigungspolitische Sprecherin, Angelika Beer, versucht, einen Antrag auf die Tagesordnung zu bringen, mit dem der Osterweiterung eine klare Absage erteilt werden sollte. „Wir hatten das sichere Gefühl, damit eine Konsensposition zu beziehen“, sagte Volmer. Doch die Abstimmung sei immer wieder absichtlich hinausgezögert worden.
Das Ergebnis habe ihn tief bestürzt. „Es zeigt sich, daß der Abkopplungsprozeß der Fraktion von der Partei weiter voranschreitet.“ Dennoch glaubt Volmer ebenso wie Kerstin Müller nicht, daß die Mehrheit die Nato-Osterweiterung befürwortet. Viele hätten nur deshalb gegen ein Positionspapier gestimmt, weil sie eine klare Stellungnahme zum jetzigen Zeitpunkt ausschließen wollten – um Länder wie Polen nicht zu bevormunden, die eine Aufnahme in die Nato beantragen wollen.
Beer wertet das Abstimmungsergebnis dagegen „als deutliches Zeichen, daß die Mehrheit der Fraktion anderer Ansicht ist als die Partei“. Die Befürworter hätten zahlreiche Gründe: Einige glaubten, die Osterweiterung sei ohnehin nicht aufzuhalten, und wollten daher wenigstens bei der Gestaltung mitreden. Andere wollten ihre Partei in zwei Jahren als regierungsfähig präsentieren. Die Gegner der Osterweiterung fürchten zum einen eine Stärkung der Nato, deren langfristige Überwindung sie ja gerade anstreben. Zum anderen kritisieren sie, daß dadurch Rußland isoliert werden könnte. Markus Franz
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