Qualm um nichts

■ Keine Subversivität des Rauchens im Museum Altona

Der (rauchende) Chronist hatte gehofft, die lange erwartete Gegenbewegung habe begonnen. Bitter nötig wäre es, denn Raucher stehen unter Druck. Zwar können wir Verbotsschilder ignorieren, und den Mutigen unter uns mag auch das vorwurfsvolle Gehüstel der Mitmenschen nichts anhaben. Der Psychoterror jedoch, dem wir ausgesetzt sind, wirkt wie ein schleichendes Gift, das stärker ist als Nikotin und Kondensat zusammen. Jeder weiß inzwischen, daß Raucher stinken, sterben und sich nicht beherrschen können.

Faszination Rauch. Ein Phänomen der Kulturgeschichte heißt dagegen eine Vortragsreihe im Altonaer Museum. Hier ging es bisher um „Räuchermännchen“ und „Rauch als Desinfektionsmittel“. Hier wird es noch gehen um „Rauchwolken als Motiv der Malerei“ und um „Geräuchertes für die bäuerliche und die feine Küche“. Soweit eine geschickte Tarnung, dachte der Chronist. Denn Thema war am Dienstag auch „Tabakwolken und blauer Dunst, Kulturgeschichte des Rauchens“. Frohgemut und mit einer vollen Schachtel Zigaretten machte der Chronist sich auf den Weg zum vermeintlichen konspirativen Treffpunkt.

Doch statt in ein verqualmtes Kellerloch gelangte er in einen hellen Saal mit – Rauchverbot. Statt einer Horde tabakgegerbter Mitstreiter umgab ihn hier gepflegt gelangweiltes Bildungsbürgertum. Die meisten Zuhörer waren älter als so manches gute Stück des Museumsinventars. So alt auf jeden Fall, daß sie unmöglich auf ein intensives, lustvolles Raucherleben zurückblicken konnten. Wenigstens die Stimme des vortragenden Professors Gustav Nils Dorén hörte sich korrekt heiser und belegt an – so wie es auch eine gute Erkältung nicht hinbekommt. Der Inhalt des Vortrags jedoch...

Um Indianer ging es, um bunte Zigarettenetuis, originelle Pfeifenköpfe (!) und ähnlichen Kinderkram. Nichts von der subversiven Kraft, mit der die allzeit mögliche Zigarettenpause den Ausbeutungsprozeß aufreißt. Nichts von langen, leeren Tresen, die durch Tabakqualm erst ihr besonderes atmosphärisches Gemisch aus Verlassenheit und Vertrautheit erhalten. Nichts von der Erotik, die rauchausstoßenden Lippen und Nasenlöchern entströmt.

Der Chronist wurde traurig. Hier saßen keine Genießer zusammen, keine Kämpfer wider das Puritanertum. Hier fehlte Leidenschaft, hier hatte er nichts verloren. Der Leiter der Veranstaltung aber setzte noch einen drauf, als er sich auf dem zweitwichtigsten Genußgebiet ebenfalls wenig beschlagen erwies. Er lud alle Anwesenden noch „auf ein Glas Wein“ ein. Bei dieser Formulierung verließ der Chronist den Saal. „Ein Glas Wein“ – so seht ihr aus! Tim Fiedler