Hausgemachte Flut

■ Eindeichungen und Elbvertiefung sind mitverantwortlich für das Hochwasser

Keine Toten, sechs Verletzte, geringe Sachschäden: Hamburg ist wieder einmal glimpflich davongekommen. Zum dritten Mal in der Geschichte Hamburgs stieg das Wasser der Elbe auf mehr als sechs Meter über Normalnull.

Aber obwohl die Sturmflut am Dienstag Rekordhöhe erreichte und die Vorwarnzeit erstmals unter fünf Stunden lag, hatte kaum jemand Angst. Seit der Flut von 1976, die mit 6,45 Meter über Null den höchsten je gemessenen Pegel verzeichnete, gab es kaum mehr ein Jahr ohne. Das hat nicht nur klimatische Gründe. Das Wasser läuft von Jahr zu Jahr „schneller, höher und häufiger“ auf, so die Baubehörde.

KritikerInnen sprechen von bis zu 100 Zentimetern hausgemachter Flut. Die Umweltbehörde geht von bis zu 50 Zentimetern aus, die Eindeichungen und Sperrwerke seit 1950 bewirkten. Weitere 10 Zentimeter würden die jahrelangen Elbvertiefungen verursachen. Vor vierzig Jahren war das Fahrwasser der Elbe neun Meter tief und 200 Meter breit. Heute ließe sich in den Fluten kopfüber jede Zwölf-Meter-Yacht samt Steuermann, quer sogar der Fernsehturm versenken.

Nach der „Jahrhundertflut“ von 1962 (über 300 Tote) wurde eine völlig neue, über sieben Meter hohe „Verteidigungslinie“ gebaut. 1976 überschwemmte die Flut den gesamten Hafen. Es gab zwar keine Toten, aber rund 500 Millionen Mark Schaden. Daraufhin investierten Stadt und Hafenbetriebe in Polderwände. Mittlerweile ist Hamburg dabei, Deiche und Polder auf rund acht Meter zu erhöhen.

So schaukeln sich Fluthöhen und Eindeichungen gegenseitig immer höher. Auch die nächste Elbvertiefung wird kommen, damit vollbeladene Schiffe gezeitenunabhängig durchs trübe Wasser gleiten können. Und das, obwohl kaum ein Schiff den Binnenhafen Hamburg je vollbeladen anläuft. Spätestens dann wird auch der absurd teure Plan eines riesigen Elbe-Sperrwerks bei Brokdorf wieder aus der Schublade geholt, das bei zu hohem Seegang geschlossen würde.

Fritz Gleiß