: Klamme Kassen als Chance
■ „Buchhändlertage '96“: Kulturpolitiker aus Berlin, Frankfurt und München wollen trotz Sparzwang der Literaturbetrieb retten
Für den leichten Duft von Fisch entschuldigte sich Gerhard Kurtze, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, gestern morgen im Kongreßsaal des Maritim-Hotels Bremen beim Publikum und den Referenten. Kurtze muß ein äußerst empfindliches Riechorgan haben; die gerade zu Ende gegangene Fisch-Messe in der Stadthalle ist immerhin durch einige Wände vom Hotel getrennt.
Wie dem auch sei: „Leere Kassen – neue Rezepte? Literaturpolitik im Umbruch“ war das Thema innerhalb der „Buchhändlertage '96“, und dazu hatte der Börsenverein des Deutschen Buchhandels Linda Reisch, Kulturdezernentin in Frankfurt/Main, Peter Radunski, Berlins Kultursenator, und Reinhard G. Wittmann, Leiter des Literaturreferates München, eingeladen. Die drei Kulturpolitiker eint das riesige Haushaltsdefizit, das in Berlin, in Frankfurt wie in München zum Sparen zwingt. Die Hauptstadt müsse, so Radunski, innerhalb von drei Jahren drei Viertel ihres 42 Milliarden-Haushalts einsparen; in Frankfurt seien es im gleichen Zeitraum neun Milliarden, die weniger ausgegeben werden dürften, ergänzte Linda Reisch für Frankfurt. Wie soll man angesichts dieser Misere noch eine von der öffentlichen Hand finanzierte Kultur- und insbesondere Literaturvielfalt erhalten?
Diese in ihren Städten zu loben und zu preisen, überboten sich Radunski und Reisch, während sich der Münchener Kollege, vormals in der Hamburger Kulturbehörde tätig, mit hanseatischem Understatement nicht darum riß, Vertreter der „heimlichen Literaturhauptstadt“ zu sein, wie Gerhard Kurtze die Bayern-Metropole nannte. Obwohl: Bei genauerem Hinsehen müsse man sich schon fragen, ob Berlin vier Literaturhäuser brauche. Und warum könne man die Räumlichkeiten denn nicht für Parties oder Kongresse vermieten? Radunski machte klar, wo es langgehen wird mit Literatur und Buchwesen in der Stadt. Seit kurzem ist die Medienausleihe in den Bibliotheken kostenpflichtig; auch für bislang kostenlose Lesungen soll der literarisch Interessierte künftig zahlen. Und: Radunski wünscht sich mehr ehrenamtliche Arbeit in den Bibliotheken, deren Personalkosten mit 70-80 Prozent des Etats zu Buche schlagen. Damit war der Feind auch für Linda Reisch ausgemacht. Die Bibliothekare müßten „runter vom Standesdünkel“, proklamierte sie unter dem Beifall der anwesenden BuchhändlerInnen. Wenn man versuche, die Öffnungszeiten der Bibliotheken durch Aushilfskräfte zu halten, stellten sich die Bibliothekare quer.
Einig waren sich die drei Kulturpolitiker, daß sich ohne verstärkte Kooperation und Sponsoring das breite kulturelle Angebot nicht halten läßt. Radunski regte an, das amerikanische fund raising in Deutschland zu übernehmen, und Linda Reisch sekundierte: Die Steuergesetzgebung müßte in dem Sinne geändert werden, daß kulturelle Zuwendungen steuerbegünstigt sind. „Wer 56 Prozent Steuern zahlt, sagt mir, davon muß auch die Kultur abgedeckt sein.“
Die vom Berliner Kultursenator geforderte Vermietung von für die Kunst benutzten Räumen praktiziert man in München schon mit Erfolg. Das neugeschaffene dortige Literaturhaus ist auch für Vertreterversammlungen offen: „Warum soll man das Geld denn den Hotels lassen?“ sagt Wittmann. Ihm geht es darum, den Literaturbetrieb in der Stadt abzukoppeln von Haushaltsentwicklungen; das Kulturmanagement sei zu verbessern. Doch bei allem Know how in der Kulturverwaltung weiß er: Es muß „personell funktionieren“, sonst nützt das schönste Managementkonzept nichts. Mu
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