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„Und dann verhaften sie uns eben“

■ Wissenschaftsskandal oder -posse? Der Rungholt-Forscher Prof. Hans Peter Duerr im taz-Interview

taz: Rungholt – ein mickriges Kaff, und zudem längst geortet. Müssen wir uns von der schönen Idee der versunkenen reichen Stadt verabschieden?

Hans Peter Duerr: In den Quellen wird Rungholt als „Stadt“ oder „Städtchen“ bezeichnet, mit einer Stiftskirche. Da kann man sich schon fragen: Wie kommt ein armseliges Fischerkaff zur einzigen Stiftskirche in Nordfriesland? Natürlich war Rungholt kein zweites Atlantis, aber ich halte es schon für eine größere Siedlung mit ein paar tausend Einwohnern.

Und im Dezember 1993 hat mir das Schleswiger Landesamt für Vor- und Frühgeschichte mitgeteilt, daß in dieser Gegend noch keine Untersuchungen stattgefunden hätten. Jetzt heißt es, unsere Fundstellen seien längst bekannt und kartiert. Woher wissen die das? Die haben mich ja nie gefragt, wo genau wir unsere Funde gemacht haben.

Der Direktor des Landesamts, Professor Reichstein, hat am Donnerstag auf einer Pressekonferenz 13 dichtbeschriebene Seiten als Erwiderung auf Ihre angeblich absurde Theorie veröffentlicht. Sind Sie stolz über soviel Aufmerksamkeit?

Nee. Ich sehe das wie mit dem Zauberlehrling: „Die Geister, die ich rief ...“. Bemerkenswert finde ich allerdings, daß sich der Landesarchäologe nur auf Presseveröffentlichungen bezieht und offenbar keine einzige Stellungnahme von mir verarbeitet hat.

Sie wußten von der Pressekonferenz des Landesarchäologen nichts. Reden Sie nicht miteinander?

Ich habe beim Landesamt mehrmals um Gespräche oder Treffen gebeten. Man hat mich abblitzen lassen. Das einzige Interesse, das das Landesamt an mir hat, war, mir ein Ermittlungsverfahren an den Hals zu hängen.

Professor Reichstein gibt zu bedenken, daß Sie „als Laie Reste von Kirchen und Feuerstellen“ sahen, die vom Fachmann „durchaus anders“ interpretiert werden könnten ...

Ach was. Wir haben Flechtwände entdeckt, eine Feuerstelle und ein Faß zu ebener Erde und einen Stallteil mit Kuhknochen. Und wir haben ein Langhaus auf einer Länge von 27 Metern dokumentiert. Was gibt's da zu interpretieren?

Aber schließlich sind Sie Ethnologe und nicht Archäologe.

Ich bin auch Kulturgeschichtler und habe mehrere Seminare über die Kulturgeschichte Nordfrieslands im Mittelalter gemacht. Wir sind ja nicht ins Watt gegangen, um Rungholt auszugraben. Wir wollten Kulturspuren, die wir auf Luftbildaufnahmen entdeckt hatten, verifizieren. Unsere Entdeckung habe ich dem Landesamt sofort mitgeteilt und ihm auch die Fundstücke übergeben. Aber da war kein Interesse.

Ihr Rungholt ist eine „Flachbodensiedlung“. Doch spätestens seit dem 11. Jahrhundert war laut Prof. Reichstein „infolge steigenden Meereseinflusses ein Siedeln zu ebener Erde nicht mehr möglich“.

Vorausgesetzt, man hatte keine Deiche. Warum sollten sich die Menschen damals nicht auf Deiche verlassen haben, bei der verheerenden Sturmflut von 1634 haben das schließlich auch viele getan, da gibt es Quellen.

Ihre Funde – Keramik, Tierknochen, Hölzer etc. – sind laut Prof. Reichstein nicht nur unspektakulär, sondern auch nicht dokumentiert, so daß die Kisten noch ungeöffnet im Landesmuseum Schleswig herumstehen.

Ach! Das Landesamt behauptet aber, daß es an den Funden Grabungsspuren gebe und benutzte das als Indiz für meine Raubgrabung. Tatsache ist, daß das Museum die Stücke unter Verschluß hält. Im übrigen ist alles eingetütet und beschriftet. Man kann doch nicht bemängeln, daß wir in den paar Tagen keine komplette Dokumentation abgeliefert haben!

Haben Sie alles abgegeben?

Ein paar Scherben und etwas Holz habe ich zurückbehalten. Gottseidank! Um eine naturwissenschaftliche Altersbestimmung vornehmen zu lassen. Die dortigen Archäologen, so wurde mir erzählt, datieren wohl lieber nach Augenschein.

Apropos Datierung: Der ominöse Schleusenbalken im Husumer Nissenhaus. Prof. Reichstein bestreitet, daß je eine Altersbestimmung nach der C-14-Methode an dem Balken vorgenommen wurde.

Der damalige Nissenhaus-Mitarbeiter und jetzige Leiter des nordfriesischen Landesmuseums, Dr. Klaus Lengsfeld, hat meiner Mitarbeiterin mehrmals bestätigt, daß in Köln eine C-14-Untersuchung der Rungholt-Schleuse vorgenommen wurde, die eine Datierung um 1700 ergab. Im Kölner Labor konnte man sich daran zwar noch erinnern, aber die Unterlagen waren verschwunden.

Und Lengsfeld kann sich inzwischen gar nicht erklären, woher ich diese Information habe. Ich habe das Nissenhaus immer wieder gebeten, mir eine Holzprobe zu geben, damit ich auf eigene Kosten eine C-14-Datierung machen lassen kann. Darauf wurde nie reagiert, und jetzt will ich das auch nicht mehr. Ich denke, ein neutraler Fachmann muß den Balken untersuchen – der sollte allerdings auch bei der Probenentnahme dabeisein.

Wie geht es weiter?

Wir werden im Juni wieder ins Watt fahren. Ich habe gehört, daß im Wattenschutzamt in Tönning beschlossen wurde, uns den Zugang zu verweigern. Wahrscheinlich taucht die Küstenwache mit einem richterlichen Beschluß auf. Aber darauf lasse ich es ankommen. Dann werden wir eben verhaftet. Fragen: Birgit Hoyer

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