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Die Therapie des „Führers“

■ Kammerspiele: Adolf Hitler trifft Sigmund Freud in „Little Hitler“

Da hatte der „Dolfi“, Pardon!, der junge Hitler, Adolf, also einmal im Waschzuber gestanden, war von der „Frau Mutter“ ordentlich abgeschrubbt worden und hatte – mit Verlaub – einen Steifen gekriegt. Natürlich hatte sich der Knabe da gehörig geniert, und die „Frau Mutter“ war wütend geworden und hat den „Dolfi“ geschlagen.

Das sind so Geschichten, bei denen wird der „Herr Professor“ Freud, Sigmund, ganz Ohr. Ansonsten hat er mit diesem Patienten aber seine liebe Müh'. Will nicht so recht raus mit der Sprache, der junge Mann mit dem zart sprießenden Bärtchen unter der Nase und dem strammen rechten Scheitel. Noch nicht einmal richtig auf der Couch liegenbleiben will er. Immer wieder durchbricht er die analytische Arbeitssituation, springt auf und turnt im Zimmer rum. Hat ein bißchen viel Bewegungsdrang, man merkt, er steht gehörig unter Druck.

Der erfolglose Kunstmaler und Gelegenheitsarbeiter Adolf Hitler geht kurz vor dem Ersten Weltkrieg bei dem berühmten Psychologen Sigmund Freud in die Analyse. Das ist die Ausgangssituation des Stücks Little Hitler von Arnold Bernfeld, das vergangene Spielzeit in Stuttgart Premiere hatte und jetzt als Gastspiel in den Hamburger Kammerspielen zu sehen ist.

Freud trifft Hitler, der jüdische Wissenschaftler den späteren „Führer“, der zukünftige Emigrant den zukünftigen Täter, der klare und rationale Denker denjenigen, der von „Vorsehung“ faselt und sich den Katastrophen seiner kleinbürgerlichen Kindheit nicht stellen kann oder will. Im Untertitel heißt das Stück Der Konjunktiv des Plusquamperfekts. Das gibt zu denken. Was hätte gewesen sein können? Hätte Freud Hitler therapieren können? Wäre dann der Zweite Weltkrieg zu vermeiden gewesen? Hätte es den deutschen Faschismus gar nicht erst gegeben? Das sind so Fragen, die einem durch den Kopf gehen – um sie beim Sehen der Inszenierung dann doch lieber schnell zu vergessen.

Denn ernsthaft hat sich der junge Regisseur Marcel Keller diese Fragen nicht gestellt. Er läßt die Szenenfolge von einer beginnenden realen Analysesituation allmählich ins Groteske abkippen. Ironische Musikeinspielungen verleihen den Szenen einen Comic-haften Anstrich. Am Schluß sitzen Freud und Hitler gar vor dem Fernseher und sehen Fußball – auch eine mögliche Männerwirtschaft.

Vielleicht ist gerade diese auf den ersten Blick unernste Herangehensweise die ernsthaft einzig mögliche. Denn: Was wäre lächerlicher, als die Möglichkeit auch nur zu erwägen, der deutsche Faschismus hätte sich durch die gelungene Therapierung des „Führers“ vermeiden lassen? Und: Wenn eine Fiktion mittlerweile zerbröselt ist, dann ja wohl die, auf dem Theater könnten sich so radikale Gegner im Medium der Sprache austauschen. Hitler und Freud sind so verschieden, daß sie noch nicht einmal miteinander streiten können. Über diese Kluft reicht auch kein Theater.

So führt Marcel Keller die Ausgangssituation des Stückes – bei aller gebotenen Vorsicht – in das über, was sie ist: eine Slapstick-Situation. Jan Schreiber zeichnet den jungen Hitler als narzistisch schwer gestörtes Kind. Bei Gewitter sucht er Zuflucht unter einem Tisch. Und Anerkennung erhofft er sich vom Psychoanalytiker Freud, den Jan Schreiber als um väterliche Distanz bemüht zeichnet. Eine Distanz, die dieser Patient durch allerlei Faxen und Streiche immer wieder unterläuft.

So hätte es nicht gewesen sein können, und Marcel Keller weiß das. Freud trifft Hitler: eine Farce, was sonst?

Dirk Knipphals

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