„Schwierigkeit mit sich selbst“

■ Messerstecher Marcus S. wegen Mordversuchs angeklagt / Haftbefehl erlassen / Nun wartet die Psychiatrie auf den 14jährigen Von Kai von Appen

Das Hamburger Amtsgericht hat gestern gegen den 14jährigen Messerstecher von Eppendorf, Marcus S., vorerst bis Montag Haftbefehl erlassen. Die Polizei wirft dem Jugendlichen Mordversuch vor. Eigentlich wollte der Haftrichter einen „Unterbringungsbefehl“ – Einweisung in eine psychatrische Einrichtung – ausstellen, es konnte jedoch bislang keine Institution gefunden werden. Die Psychatrie Ochsenzoll ist für Jugendliche nicht zuständig, die im Eppendorfer Unikrankenhaus „nicht ganz geschlossen, so daß er abhauen könnte“, verlautete es aus Insiderkreisen.

Marcus S. ist nun übers Wochenende im Jugendknast Vierlanden untergebracht worden. Am Montag soll nun nach einer geschlossenen Einrichtung gesucht werden, die ihn aufnehmen und psychologisch betreuen kann. Bei der Vernehmung durch die Polizei hatten Fahnder eine „komplizierte Geisteslage“ festgestellt. „Er hat starke Schwierigkeiten mit sich selbst“, so ein Polizeibeamter, „er ist geistig verwirrt.“

Nach inoffiziellen Informationen soll er während der Vernehmungen geäußert haben, er habe die Messerattacken gegen Frauen durchgeführt, weil er gerne „Schmerzensschreie von Frauen“ höre, das würde ihn „total anmachen“.

Marcus S., der am Donnerstagabend von der Polizei festgenommen werden konnte, hat gestanden, drei Messerüberfälle verübt zu haben (taz berichtete). Sein Fahrrad sowie die Tatwaffe mit einer 18 Zentimeter langen Klinge wurden in einem Hof an der Winterhuder Bebelallee sichergestellt. Am Montag hatte Marcus S. eine Frau in der Bebelalle mit der Waffe am Arm verletzt, eine weitere im Eppendorfer Hayns Park am Kopf. Am Dienstag abend hatte er erneut eine Frau im Hayns Park angegriffen und ihr das Messer in die Brust gestoßen. Die Frau wurde schwer verletzt in eine Klinik eingeliefert, wo sie immer noch liegt.

Markus S. war bereits in den vergangenen zwei Jahren mehrfach aufgefallen. So hatte er Frauen überfallen und die Handtaschen gestohlen. In mehreren Fällen hatte er Frauen sexuell belästigt, indem er sie betatschte, auf den Po schlug oder an den Busen grabschte.

1993 war Marcus S. verhaftet worden, nachdem er versucht hatte, einer 57jährigen Frau die Halskette zu entreißen. Haftbefehl wurde damals nicht erlassen, weil er sich bereits in psychologischer Behandlung befand.

Weil der Heranwachsende in allen Fällen nach der gleichen Methode vorgegangen war, indem er die Taten von seinem Rennrad aus verübte, erinnerten sich die Fahnder des Reviers Troplowitzstraße nach den Überfällen zum Wochenbeginn an ihn. Vorgestern abend wurde er in der mütterlichen Wohnung festgenommen.

Nach Angaben von Staatsanwaltschaftssprecher Rüdiger Bagger könnte Marcus S., der mit seinen 14 Jahren nach dem Gesetz strafmündig ist, innerhalb der nächsten sechs Monate der Prozeß gemacht werden, zumal er geständig ist. Voraussetzung: Er ist überhaupt zurechnungsfähig und für seine Taten veranwortlich zu machen. Das muß nun ein psychatrisches Gutachten ergeben.