: Acht Monate in Abschiebehaft
■ Der Leiter des Hamburger Strafvollzugs, Friedrich-Diethmar Raben, im taz-Interview über die Bedingungen im Abschiebeknast Glasmoor
taz: Die in Glasmoor einsitzenden Abschiebehäftlinge sind nach Ihrer Ansicht keine Flüchtlinge ...
Friedrich-Diethmar Raben: Nach dem Gesetz handelt es sich dabei um Ausländer, die eine bestandskräftige Ausweisungsverfügung haben, denen also ein Flüchtlingsstatus nicht zuerkannt worden ist. Deswegen können das für uns nicht Flüchtlinge sein.
Keine Menschen, die in dieses Land geflüchtet sind?
Sie haben hier keinerlei Aufenthaltsberechtigung mehr, sondern die Abschiebung zu erwarten.
Wäre es nicht angesagt, diese Menschen zumindest so liberal und human wie möglich zu behandeln?
Jede Haft muß sich an dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientieren. Bei den Abschiebungsgefangenen handelt es sich nicht um Strafgefangene, sondern um Zivilgefangene. Die Behandlung hat bisher für uns erkennbar keinen Anlaß zur Klage gegeben. Die Leute sind vernünftig untergebracht, die Abschiebungshaft dauert ja nicht unbegrenzt ...
... mindestens zwei Menschen sollen seit Februar vorigen Jahres in Glasmoor sitzen ...
Abschiebungshaft soll nur angeordnet werden, wenn jemand innerhalb von drei Monaten abgeschoben werden kann. Diese Frist wird in Einzelfällen überschritten. Im November hatten wir Leute, die acht Monate in dieser Einrichtung saßen.
Wie sieht denn ein Häftlingsalltag aus?
Worauf wir achten müssen, sind die ethnischen Zusammengehörigkeiten, daß man nicht irgendwelche möglicherweise verfeindeten Volksgruppen in einem Raum zusammenlegt ...
Das ist das erste, was Ihnen zum Häftlingsalltag einfällt?
Ja. Die sitzen in einem Haftraum, der im Vollbelegungsfall mit sechs Leuten belegt ist. Sie haben eine Stunde täglich Freistunden draußen, können bestimmte Aktivitäten innerhalb des Haftraumes wahrnehmen, sie haben in jedem Haftraum einen Fernseher. Da sich Gefangene in dieser Einrichtung im Regelfall nicht über längere Zeit aufhalten, erscheint uns dies vertretbar.
23 Stunden in der Zelle, zu sechst, und eine Stunde Freigang. Richtig?
Ja.
Nach unseren Informationen müssen Häftlinge beim Hofgang Sandalen tragen. Stimmt das?
Manche, die kein festes Schuhwerk haben, tragen tatsächlich Sandalen. Sie sind mit dicken Socken ausgestattet worden. Ich habe angeordnet, daß festes Schuhwerk angeschafft wird.
Es gibt Vorwürfe, daß Häftlinge vom Wachpersonal bedroht, mißhandelt und verprügelt worden seien.
Wir haben Vorgänge hier, und jedes besondere Vorkommnis in dieser Einrichtung geht bei mir über den Tisch. Wir haben ein Verfahren an die Staatsanwaltschaft Kiel abgegeben, weil behauptet wurde, daß Häftlinge geschlagen worden sind.
Dann gibt es einen weiteren Vorwurf, der aber so unspezifisch ist, daß man gar nichts damit anfangen kann. Häftlinge werden von Seiten des Anstaltspersonals nicht bedroht, es gibt überhaupt keinen akuten oder konkreten Hinweis darauf.
Der Flüchtlingsrat sagt, ihm lägen Zeugenaussagen zu mindestens vier Fällen vor.
Mir liegen die nicht vor.
Was macht denn ein Häftling, wenn er meint, er sei mißhandelt worden?
Dann wendet er sich entweder an die Anstaltsleitung oder, wenn er glaubt, dies reiche nicht aus, an Externe.
Das ist nicht ganz einfach. Erst recht, wenn Organisationen wie der Flüchtlingsrat nicht helfen dürfen ...
Das ist doch nicht richtig. Der Flüchtlingsrat darf als Institution nicht Sonderrechte in Anspruch nehmen. Jeder aus dem Flüchtlingsrat, gegen den kein Hausverbot vorliegt, kann natürlich im Rahmen der geltenden Besuchsregelungen dort Gefangene besuchen.
Fragen: Fritz Gleiß
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