: Beinharter Wettbewerb im Bettengeschäft
■ 15.000 neue Hotelbetten wird es bis zum Jahr 2000 geben, die meisten davon in Luxushotels. Doch die Belegung sinkt. Dumping bei den Großen, Pleiten bei den Kleinen
Mag sein, daß Konkurrenz manchenorts tatsächlich das Geschäft belebt. In der Berliner Hotellerie freilich kann davon derzeit keine Rede sein. Die jüngsten Zahlen jedenfalls sprechen für sich. Gerade einmal 35 Prozent betrug die Auslastung der 100 Hotels, 180 Garni- Hotels, der 100 Gäststätten und Pensionen sowie der 50 „sonstigen“ Hotels im März dieses Jahres. Im Schnitt waren im vergangenen Jahr die 45.000 Betten zu 42 Prozent belegt.
„Zwar beträgt die Belegung in den traditionell touristischen Monaten Mai/Juni und September/ Oktober auch mal 60 Prozent“, sagt der Geschäftsführer der Hotel- und Gaststätteninnung, Karl Weißenborn. Doch der nötige Gewinn läßt sich allein mit saisonalen „Spitzenzeiten“ nicht erwirtschaften. Um in die schwarzen Zahlen zu kommen, wäre eine jährliche Belegung zwischen 55 und 60 Prozent erforderlich.
Gleichwohl sind neben dem Neubau von Bürogebäuden und Gewerbeparks Hotels noch immer der Renner bei millionenschweren Investoren. 15.000 Betten werden derzeit allein in Berlin gebaut. Im näheren Umland kommt noch einmal die gleiche Anzahl hinzu. Der Berliner Zuwachs ist laut Weißenborn dabei vor allem auf den Neubau von Nobelhotels zurückzuführen. Bis zum Jahr 2000 wird es in Berlin allein im Fünf-Sterne-Bereich mehr als zehn Luxusherbergen geben.
Zwar ist Weißenborn fest davon überzeugt, daß mit dem Umzug von Regierung und Parlament, Verbänden und diplomatischen Vertretungen auch ein Markt für die Luxushotels entsteht. Bis dahin freilich herrsche in der Hotellerie ein „beinharter Wettbewerb auf dem Bettenmarkt“.
Die Leidtragenden dieses Wettbewerbs sind vor allem die kleinen und mittelständischen Hotels und Etagenpensionen mit Doppelzimmerpreisen zwischen 120 und 160 Mark. Über hundert von ihnen mußten in den vergangenen zehn Jahren schließen, weil sie mit den Dumping-, Sonder- und Wochenendangeboten der Großen nicht mehr mithalten könnten. „Die Großhotels haben einfach den längeren Atem“, weiß Hotellobbyist Weißenborn.
Doch auch bei den Luxushotels ist längst nicht alles Gold, was glänzt. Während das Bettenangebot ständig steigt und die Zahl der Touristen zurückgeht, hält auch in den Spesenabteilungen der Privatwirtschaft der Sparkurs Einzug. Für die Großhotels, deren Kunden zu 75 Prozent aus Geschäftsreisenden besteht, keine rosige Aussicht.
Für die Geschäftsführung des Grand Hotels Maritim in der Friedrichstraße heißt die Devise deshalb „Yield-Management“. Daß ein Zimmer, das eine Nacht nicht vermietet wird, ein einmaliges Produkt ist, das damit nie wieder verkauft werden kann, gilt in der Branche als ebenso banale wie wahre Feststellung. Im Maritim hat man nun ausgerechnet, daß ein leerstehendes Zimmer sogar 30 bis 50 Mark an Kosten für Strom, Heizung und Sonstiges verursacht. „Was im Fluggeschäft bereits Realität ist, wird sich auch in der Hotelerie durchsetzen“, sagt Maritim- Marketingchefin Christiane Beyer, ohne das Zauberwort „Last minute“ freilich beim Namen zu nennen.
Was dem Image der Luxushotels womöglich abträglich ist, ist für viele Häuser freilich bereits ökonomische Notwendigkeit geworden. Die Rabatte, die den Übernachtungsgästen in den Nobelherbergen gewährt werden, liegen oftmals sogar unter den Preisen der Zwei-oder Drei-Sterne-Hotels. „Wer im entsprechenden Outfit um 22 Uhr an die Rezeption kommt“, sagt ein vielreisender Geschäftsmann wissend, „zahlt meist nicht mehr als hundert Mark für die Übernachtung.“
In der Branche herrscht deshalb Krisenstimmung. Millionenverluste bei den Luxushotelketten sind keine Seltenheit. Eine Änderung ist zumindest vorerst nicht zu erwarten. Ähnlich wie die zahllosen Büro- und Geschäftshäuser werden auch die neuen Hotels nicht aufgrund seriöser Renditeerwartungen aus dem Boden gestampft, sondern um in den Genuß der Sonderabschreibungen der Bundesregierung zu kommen.
Aber es gibt auch noch einen anderen Grund für den Hotelboom. „Für internationale Hotelketten ist es ein Muß, sich auf dem Berliner Markt zu positionieren“, verrät Maritim-Werberin Beyer. „Das ist geradezu eine Prestigefrage.“ Uwe Rada
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