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Chirurgisch Verfolgte genießen Asyl

■ Furcht vor Beschneidung als Asylgrund anerkannt: 19jährige Togoerin darf in den USA bleiben, Frankreich stoppt wegen drohender Beschneidung Abschiebung einer Frau mit Kindern nach Guinea

Washington/Paris (AP/wps/ AFP) – Eine 19jährige Frau aus Togo, die sich mit der Flucht aus ihrer Heimat der Beschneidung entzogen hat, erhält in den Vereinigten Staaten politisches Asyl. Mit dieser bahnbrechenden Entscheidung erkannte das Washingtoner Berufungsgericht für Einwanderungsfragen am Donnerstag erstmals die Furcht vor Beschneidung als Asylgrund an.

Die Angst der 19jährigen Fauziya Kasinga vor umfassender Verfolgung wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe sei begründet, urteilte das Gremium. „Intakte Geschlechtsorgane zu haben ist so fundamental für die Identität einer jungen Frau, daß man von ihr nicht verlangen kann, das zu ändern“, heißt es im Urteil des Vorsitzenden Richters Paul W. Schmidt, das mit elf Stimmen zu einer angenommen wurde.

Bislang war betroffenen Frauen nur dann Asyl gewährt worden, wenn sie beweisen konnten, daß sie nach der Rückkehr in die Heimat zwangsweise beschnitten würden und von den Behörden keinen Schutz zu erwarten hätten. Frauen, die bereits beschnitten worden waren oder im Fall der Weigerung lediglich soziale und wirtschaftliche Ausgrenzung zu erwarten hätten, hatten keinen Anspruch auf Asyl.

Kasinga, die zum Tchamba-Kusuntu-Volk in Togo gehört, war im Dezember 1994 in die USA geflohen, nachdem ihre Familie sie mit einem älteren Mann zwangsverheiratet hatte und für das stammesübliche Beschneidungsritual vorbereitete. Mit einem falschen Paß landete sie am Flughafen der Stadt Newark und wurde sofort verhaftet. Im August 1995 lehnte ein Einwanderungsgericht in Philadelphia ihren Antrag auf Asyl mit der Begründung ab, daß die Beschneidung von Frauen in Togo allgemein üblich und Kasinga somit nicht spezifischer Verfolgung ausgesetzt wäre. Sie ging in Berufung und wurde im April aus der Haft entlassen.

Während des Berufungsverfahrens argumentierten Kasingas Anwälte, der Richter in Philadelphia habe von Togo keine Ahnung gehabt. Die Einwanderungsbehörde hingegen nannte die Geschichte der Togoerin unglaubwürdig. Dieser Einschätzung folgte das Berufungsgericht nicht. Kasingas spezifische Verfolgung ergebe sich aus ihrer Zugehörigkeit zum Tchamba-Kusuntu-Volk. Außerdem sei von Togos staatlichen Behörden kein Schutz zu erwarten.

Am Mittwoch hatte erstmals ein Richter in Frankreich die Abschiebung einer Afrikanerin aus Guinea untersagt, weil ihren beiden Töchtern eine Beschneidung der Geschlechtsorgane drohe. Die 28jährige Guineerin sollte aus der Stadt Saint-Etienne ausgewiesen werden, weil sie ihrem Mann bei der illegalen Beschaffung einer Aufenthaltsgenehmigung geholfen hatte. Ihre beiden drei und sechs Jahre alten Töchter sind in Frankreich geboren. Nun muß die Guineerin allerdings mit der Abschiebung in ein Land rechnen, in dem das Risiko einer Beschneidung ihrer Töchter nicht besteht.

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