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„Feindbild Nato ist ein groteskes Relikt“

■ Gerd Poppe von Bündnis 90/Die Grünen über den Streit um die Nato-Osterweiterung

taz: Bei Bündnis 90/Die Grünen ist ein Streit über die Nato- Osterweiterung ausgebrochen. Sie gelten als Befürworter.

Gerd Poppe: Ich bin nicht unbedingt ein glühender Vertreter der Nato-Osterweiterung. Wir können aber nicht den Wunsch souveräner Staaten östlich von uns ignorieren, die sich mit deutlichen Mehrheiten etwas von einer Nato-Mitgliedschaft versprechen. Es ist politisch äußerst fragwürdig, wenn eine Partei oder Teile einer Fraktion diese Länder bevormunden wollen. Zudem ist es angesichts nationalistischer Tendenzen in einigen osteuropäischen Ländern besser, wenn sie in einem transatlantischen Bündnis integriert sind.

Die Zustimmung zur Osterweiterung bedeutet faktisch auch Zustimmung zur Nato.

Das alte Feindbild Nato ist als Relikt des Kalten Krieges grotesk. Es ist blauäugig, wenn man meint, man könne in kurzer Zeit auf militärische Komponenten verzichten, gerade angesichts der Erfahrungen mit dem Bosnienkrieg. Die Nato ist die einzige verbindliche Organisation, in der USA und Europa an einem Strick ziehen.

Geben sie so nicht die pazifistische Identität Ihrer Partei auf?

Die Identität einer Partei kann nicht allein auf der Ablehnung von bestehenden Institutionen beruhen. Manche Grüne sind aus der Zeit der Blockkonstellationen noch nicht in der Zeit nach 1989 angekommen. Wir müssen der Entwicklung seit dem Zusammenbruch des Ostblocks gerecht werden – die Nato reformieren und die OSZE stärken. Wir grenzen uns dadurch klar von den anderen Parteien ab, daß bei uns die Prävention eindeutig Vorrang genießt. Sicherheit verstehen wir nicht in erster Linie militärisch.

Teilen Sie den Eindruck, daß die Mehrheit der Fraktion für eine Nato-Osterweiterung ist?

Die Frage ist verfrüht. Es gibt zur Zeit gewichtigere Themen. Deswegen hat die Fraktion ja auch entschieden, daß sie sich zur Zeit noch nicht positionieren will. Es gibt eine Reihe von Entwicklungen, die wir abwarten müssen, etwa das Ergebnis der russischen und der US-Präsidentschaftswahl. Auch die Ergebnisse einer Tagung mit polnischen, tschechischen und vielleicht auch russischen Vertretern warten wir ab.

Dennoch ist der Streit um die Osterweiterung an die Öffentlichkeit gelangt. Wieso?

Dabei geht es doch um das Kräfteverhältnis innerhalb der Partei, die Positionierung eines Flügels.

Hat Ludger Volmer Profilierungsprobleme?

Nicht nur Herr Volmer. Ich möchte nicht noch einmal die Geschichte erleben wie auf dem Sonderparteitag zu Bosnien. Da standen nicht die Leiden der bosnischen Bevölkerung im Vordergrund, sondern innerparteiliche Strömungen. Interview: Markus Franz

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