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The Power of Positive Singing

Keine Drogen, keine Abstürze, nur Stimme: Ella Fitzgerald war die Lichtgestalt des Jazz, der Gegenmythos zu Billie Holiday. Mehr als ein halbes Jahrhundert stand sie auf der Bühne. Am Samstag ist sie mit 78 Jahren gestorben  ■ Von Karin Gabbert

Sie war die First Lady des Jazz. Und das nicht nur, weil ihr der Präsident der Vereinigten Staaten die Nationale Kunstmedaille verlieh, sondern weil keine andere Sängerin eine so lange und erfolgreiche Karriere gemacht hat wie sie.

Ella Fitzgerald stand 58 Jahre lang auf der Bühne, hat in dieser Zeit über 250 Schallplatten eingespielt und wurde mit Auszeichnungen überschüttet. Sie bekam zwölf „Grammies“, die Ehrendoktorwürden der Universitäten von Yale, Dartmouth und Maryland und stand bei den jährlichen Umfragen des Musikmagazins Downbeat von 1937 bis 1971 ununterbrochen an erster Stelle der besten Sängerinnen.

Während die meisten JazzerInnen ihrer Generation umstritten waren – musikalisch, wegen politischer Ansichten oder ihres Lebenswandels –, wurde sie bis zuletzt uneingeschränkt gefeiert. Noch ihr 1990 herausgegebenes Album „All that Jazz“ bekam enthusiastische Kritiken: „Sie kann alles noch, was sie immer konnte – doch sie kann heute eben noch mehr“, schrieb die Süddeutsche.

Ella Fitzgeralds Geschichte sieht typisch aus, nämlich nach der eines „poor black girl“, das sich dann aus eigener Kraft an die Spitze der Jazzszene hocharbeitet. Doch es fehlen die Abstürze, die Drogen, die Verzweiflung, die Aussichtslosigkeit und die Unterdrückung. Verglichen etwa mit Billie Holiday ist Ella Fitzgerald der Gegenmythos, die Lichtgestalt, die Artistin, die ihre Kunst aus der Sicherheit ihrer großen künstlerischen Mittel schöpft.

Während Billie Holiday jedes Wort ihrer Lieder mit ihrer Geschichte tränkte, waren die Interpretationen von Ella Fitzgerald frei von jeglichem autobiographischen Anstrich. „Ich singe so, wie ich mich fühle. Und deshalb singe ich Happy Jazz. Ich habe mich nie als ,schwarze‘ Sängerin gesehen – ebensowenig wie mein Publikum“, sagte sie einmal.

Auf der Bühne wirkte Ella Fitzgerald immer sicher und perfekt, sang ihre Melodien mit überwältigender Fröhlichkeit und vollendetem rhythmischen Gefühl. Was an ihrer zeitlos jungen Stimme faszinierte, war die Kombination von Naivität des Ausdrucks und gesanglicher Perfektion. Ihr Stimmumfang war größer als der vieler Opernsängerinnen, und wenn sie anfing zu improvisieren, waren die Texte nicht wichtig.

In den vierziger Jahren griff sie begeistert den Bebop auf, machte den Scat-Gesang zu ihrer besonderen Spezialität. Durch ihren unvergeßlichen Scat-Chorus ist George Gershwins „Lady Be Good“ untrennbar mit ihrem Namen verbunden – und wurde zu einer Art Markenzeichen.

In den fünfziger Jahren begann sie, ihre Karriere den großen amerikanischen Songwritern zu widmen. In den darauffolgenden zwölf Jahren nahm sie unzählige Plattenporträts populärer amerikanischer Komponisten auf wie Duke Ellington, George und Ira Gershwin, Rodgers und Hart und Cole Porter. „Erst seit ich Ella Fitzgerald unsere Songs singen hörte, weiß ich, wie gut sie sind“, soll Ira Gershwin dazu gesagt haben.

Ihre Karriere begann 1934. Direkt nach ihrem ersten Auftritt im legendären Harlemer Apollo- Theatre stieg die Sechzehnjährige im Orchester des Schlagzeugers Chick Webb ein. Eigentlich hatte sie bei dem Nachwuchswettbewerb vortanzen wollen, begann dann aber vor lauter Aufregung zu singen. Bis zum Ende ihres Lebens erzählte sie gern die dazugehörige Geschichte: „Ich verlor meine Nerven. Da stand ich auf der Bühne. Unglaublich: all diese Leute! Irgendjemand rief aus dem Hintergrund: ,Steh nicht so da, sing etwas!‘“

Und sie sang zwei Lieder, die sie zu Hause in der Küche von ihrer Mutter gehört hatte. „Ich sang einen der Boswell Songs: ,If a voice can bring/ every hope of the spring/ that's Judy‘ und ,The Object of my Affection.‘“

Im Publikum saß Benny Carter, der später sagte: „Ich hörte sie singen und dachte: ,This girl ist wonderful!‘“ Das Publikum applaudierte enthusiastisch und Ella Fitzgerald gewann im Wettbewerb den ersten Preis.

Danach stand sie sechzig Jahre auf der Bühne, spielte mit Louis Armstrong, mit Duke Ellington, Count Basie, Nelson Riddle, mit Dizzy Dillespie, mit dem Oscar- Peterson-Trio. Mit dessen Bassisten Ray Bronson war sie von 1948 bis 1952 verheiratet, bekam einen Sohn.

Vor einigen Jahren mußte Ella Fitzgerald ihre Karriere aufgrund von Krankheiten aufgeben. Wegen Diabetes mußten ihr 1993 beide Unterschenkel amputiert werden. Am Sonnabend ist sie im Alter von 78 Jahren in ihrem Haus im kalifornischen Beverly Hills gestorben.

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