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Vielfalt nicht nur in Reservaten

FAO-Konferenz: Regierungsunabhängige Organisationen setzen auf Bauern statt Genbanken, um die genetischen Ressourcen zu erhalten  ■ Aus Leipzig Toralf Staud

Das Bundessortenamt in Hannover wird sich freuen: Massenhaft ist am Wochenende in Leipzig gegen das deutsche Saatgutverkehrsgesetz verstoßen worden, und die Bösewichter zeigen sich hinterher selbst an. Die Tat: Kleine Tüten mit Weizen, den der Biobauer Josef Albrecht aus dem bayerischen Oderding gezüchtet hat, wurden verteilt – und damit nicht zugelassenes Saatgut „in den Verkehr gebracht“. Die Täter: Zum größten Teil Vertreter von regierungsunabhängigen Organisationen (NGOs) aus aller Welt, die an einer Alternativtagung zur heute beginnenden FAO-Konferenz über Nutzpflanzenvielfalt teilnahmen.

Mit der Aktion wollen sie sich mit Josef Albrecht solidarisieren, der 1.500 DM Strafe zahlen soll, weil er seinen selbstgezüchteten Bioweizen an andere Landwirte weitergegeben hat. Vor allem zielt der demonstrative Rechtsbruch auf das deutsche Saatgutverkehrsgesetz: Es erlaubt nur den Handel mit zugelassenen Sorten; Bauer Albrechts Bioweizen ist aber nicht „homogen“ genug, um eine solche Zulassung zu bekommen. Nach Auffassung der NGOs verhindert das deutsche Gesetz also genau das, worüber ab heute auf einer FAO-Konferenz in Leipzig debattiert wird und was sich auch Deutschland offiziell auf die Fahnen geschrieben hat – die Erhaltung der genetischen Vielfalt bei Nutzpflanzen.

Die NGOs werden den Regierungsvertretern auf ihrer Konferenz öfter auf die Füße treten. Am Wochenende erarbeiteten sie einen Gegenvorschlag zum offiziellen „Global Plan of Action“, in einem Zelt neben dem Konferenzzentrum sollen kritische Stimmen zu Wort kommen.

Am Aktionsplan der FAO ließen die über hundert Teilnehmer der NGO-Tagung – nur wenige von ihnen aus dem „Norden“ – kaum ein gutes Haar. „Er bekämpft nicht die Ursachen der Generosion, sondern kuriert nur an den Symptomen herum“, faßt Rudolf Buntzel, der Pressesprecher der Tagung, zusammen. Die FAO will den Verfall der genetischen Vielfalt vor allem durch das Sammeln von Saatgut in gekühlten Genbanken aufhalten. An der Hochleistungslandwirtschaft, die nur wenige Sorten nutzt und industriell arbeitet, soll möglichst wenig geändert werden.

Die NGOs setzen dagegen auf den Erhalt der Sorten durch aktive Nutzung, durch fortwährenden Anbau der traditionellen Arten. Daß dies am besten die lokalen Gemeinschaften von Bauern oder indigenen Völkern können, zeigten auf der Tagung Berichte aus aller Welt. Und in diesen Kollektiven sind es meist die Frauen, die für die Pflege der Saat zuständig seien, betonte Monica Opole von der Organisation „CIKEAB“ aus Kenia. „In den meisten Kulturen sind Frauen die Hüterinnen der Biodiversität“, so die indische Öko-Feministin und Trägerin des alternativen Nobelpreises, Vandana Shiva. Die FAO dagegen ignoriere und entrechte diese lokalen Gemeinschaften systematisch. „Biologische Vielfalt kann nur erhalten werden, wenn auch kulturelle Vielfalt bewahrt wird.“

Traute Einigkeit herrschte auch auf der NGO-Tagung nicht, zu unterschiedlich waren trotz des gemeinsamen Anliegens die Interessen: Professionelle Lobbyisten saßen neben Graswurzelaktivisten, nüchterne Forscher neben schwärmerischen Gärtnern aus der anthropologischen Ecke. Am deutlichsten war der Konflikt zwischen indigenen Völkern und Kleinbauern: Während viele Organisationen von Ureinwohnern die FAO und ihre Politik radikal ablehnen, sind die Farmer im Prinzip für offizielle Verträge, weil ihnen darin Rechte garantiert werden sollen. Wie die dann aussehen, wollen die NGO-Vertreter natürlich mitbestimmen.

Ob sie auf der FAO-Konferenz dazu Gelegenheit bekommen, ist unsicher. Die anfänglich gute Zusammenarbeit mit der gastgebenden deutschen Regierung habe in den letzten Monaten nachgelassen, erklärt Pressesprecher Buntzel. Zugesagte Räume seien gestrichen und die Fläche für Ausstellungstafeln „aus Sicherheitsgründen“ halbiert worden. Offenbar habe die FAO Druck auf die Bundesregierung ausgeübt, meint Buntzel. „Die wollen für künftige Konferenzen keine Präzedenzfälle einer NGO-Beteiligung schaffen.“

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