: In Luft aufgelöst
■ Dänemark steht nach dem 0:3 gegen Kroatien vor einem Neubeginn
Sheffield (dpa) – In der Stunde der bitteren Niederlage zeigte der Titelverteidiger Größe. Geschlossen marschierte das dänische Team nach dem 0:3 gegen Kroatien zu den angereisten 20.000 Fans und bedankte sich höflich mit Beifall für die Unterstützung. Die Szene hatte symbolischen Charakter, denn der Abschied vom attraktiven dänischen Fußball der letzten 15 Jahre nimmt unerbittlich seinen Lauf. Und die Bewertung wurde in den heimatlichen Zeitungen schon gedruckt. „Die Elf des Europameisters löste sich in Luft auf“, brachte die Jyllands-Posten die Einschätzung der dänischen „Demütigung“ auf einen Nenner.
Auch wenn den Gescholtenen schon eine Stunde nach Spielschluß das Bier wieder schmeckte: Die versteinerten Mienen der sonst so fröhlichen Kicker sprachen Bände. Das erträumte Viertelfinale gegen Deutschland ist in weite Ferne gerückt. Beim Noch- Champion glaubt niemand mehr wirklich daran, daß es am Mittwoch gleich zwei Wunder in Sheffield und Nottingham geben könnte. Einen eigenen, möglichst hohen Sieg gegen die Türkei vorausgesetzt, müßte das bereits qualifizierte Kroatien Portugal ebenfalls klar bezwingen.
Die Enttäuschung nach dem Kroatien-Spiel steckte tief und hinterließ Spuren. Torhüter Peter Schmeichel, der an den beiden Toren von Davor Suker (53.-Foulelfmeter/90.) nicht schuldlos war, beim 0:2 durch Boban (80.) aber nichts machen konnte, kritisierte sein Team hart. „Ich hatte geglaubt, daß wir stark genug sind, einen Rückstand aufzuholen. Aber dieser Mannschaft fehlt einfach die Kreativität“. Es werde nach der EURO einen Schnitt im dänischen Fußball geben müssen, der „wohl einigen sehr weh tun wird“.
Auch für Brian Laudrup ist das Ende der einst so erfolgreichen Mannschaft gekommen. „Die letzten vier Jahre waren ein schönes Abenteuer für unser Land. Für den Fall, daß wir tatsächlich ausscheiden, verspreche ich schon jetzt: Dänemark kommt wieder“, sagte der 27jährige. Wie Schmeichel will auch er unter dem neuen Coach Bo Johansson noch einmal angreifen. Definitiv nicht mehr zur Verfügung stehen Kim Vilfort und Michael Laudrup.
Der Schwede Johansson muß beim Neuaufbau vor allem Spieler finden, die Offensivgeist haben, einst die Stärke des dänischen Teams. Der scheidende Trainer Richard Möller-Nielsen wollte dennoch von einer zu defensiven Taktik nichts wissen: „Nur so hatten wir die Chance auf Erfolg gegen zwei spielerisch klar überlegene Mannschaften.“ Brian Laudrup sah das Manko realistischer: „Wir haben Probleme, ein Spiel zu gestalten, weil wir die dafür geeigneten Spieler nicht besitzen.“
Große Zufriedenheit herrschte natürlich bei den Kroaten, die nach dem mageren 1:0-Sieg über die Türkei zumindest in der zweiten Halbzeit gegen Dänemark überzeugen konnten. „Unbeschreiblich, wie unsere Spieler den Europameister in den Sand warfen“, jubelte die Zeitung Vjesnik, und Trainer Miroslav Blazevic sprach von einem „Fußballfest“. Dies verdankte er vor allem Davor Suker, Stürmer beim FC Sevilla, dem die Dänen viel Freiheit ließen, die er genüßlich nutzte. Großartig sein Heber zum 3:0 über Schmeichel hinweg, nachdem dieser kurz zuvor einen Schuß Sukers von der Mittellinie gerade noch hatte abfangen können. „Suker spielte wie Picasso“, befand Vjesnik.
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