Jenseits von Mottram Hall: Die Russen kommen!
■ Es ist einfacher, sich ans Spiel und nicht an die russische Seele zu halten
Die Russen kommen! Soviel steht fest. Sie gehen nicht, sie spielen nicht, sie treffen nicht – die Russen kommen.
Warum sie kommen, woher sie kommen, wie viele kommen – das alles sind Fragen, die man besser nicht stellen sollte. Sie gehen über das Wesentliche hinaus. Niemand kann sie beantworten. Was auch immer die Russen gerade tun – sie kommen einfach. Das muß genügen. Die tiefere Bedeutung dieser permanenten Ankunft wird uns
Das ist Jens KÖNIG
Sein Spieler: Oleg Blochin. Wäre er bei der EM dabei, hätte Rußland nicht nur endlich einen Stürmer im Team, sondern würde auch Europameister werden.
Sein Team: Tschechien. Fragen Sie irgendeinen Italiener.
Europameister: Deutschland. Fußball ist kein Spiel. Es gibt Gesetzmäßigkeiten.
auf ewig verschlossen bleiben. Sie verstehen, russische Seele, russischer Bär, russischer Wodka. Konzentrieren wir uns also auf die Frage, die auch die Russen seit jeher bewegt: Was tun? (Lenin)
Wer könnte das besser beantworten als der Frontstadt-Bürgermeister Eberhard Diepgen: „Auf die Russen muß man aufpassen.“ Richtig. Aber wer? Clinton? Die Nato? Kinkel? Der winkt ab: „Beim Fußball denkt auch der Außenminister nicht mehr an Politik.“ Und nun? Kommen jetzt die Russen?
Wer weiß das schon so genau? Boris Jelzin vielleicht?
Frage eines russischen Bürgers während des Wahlkampfes an den russischen Präsidenten: Wie stehen Sie zum Alkohol? „Wenn ich jetzt sagen würde, ich trinke nicht, würde mir das keiner glauben. Also sage ich: Ich kann einiges vertragen, aber ich erlaube mir keine Exzesse.“ Frage des russischen Fernsehens an Boris Jelzin am Wahltag: Was machen Sie heute nachmittag? „Ich sehe mir das Fußballspiel Rußland-Deutschland an. Natürlich werden wir gewinnen.“ Damit soll hinreichend bewiesen sein, daß Boris Jelzin – während seines Studiums ein gefürchteter Hochschul-Volleyballspieler – mehr vom Alkohol versteht als vom Fußball, und damit repräsentiert er ganz gut die Mitte der russischen Gesellschaft.
Wen also fragen nach den russischen Fußballern? Den Trainer?
Das wird schwierig. Oleg Romanzew sieht nicht nur aus wie der junge Andrej Gromyko, er ist auch so wortkarg wie der gefürchtete sowjetische Außenminister bei den Abrüstungsgesprächen mit den Amerikanern. Sein sportliches Programm hat Romanzew so zusammengefaßt: „Mütterchen Rußland und den Fußball lieben.“ Nicht gerade viel. Ansonsten macht er den Eindruck, als kenne auch er seine Mannschaft nur ungenügend. Nach dem mit 1:2 verlorenen Spiel gegen Italien auf die Fehler seiner erfahrenen Spieler Onopko und Tschertschessow angesprochen, antworte er: „Seltsam. Ich habe ihnen nicht beigebracht, den Ball zu verlieren.“ Wer dann?
Die Mannschaft vielleicht? Kennt sie sich selber so gut? Schwer zu sagen. Sie ist kaserniert wie zu Breschnews Zeiten. Wenn er den Journalisten schon nichts erzählt, meint Trainer Romanzew, sollen es seine Spieler auch nicht tun. Die meisten sind ohnehin damit beschäftigt, ihren Marktwert zu erhöhen und einen neuen Verein zu suchen.
Das alles ist nicht gerade viel. Aber gespielt hat Rußland immerhin ja schon zweimal. Und da hat die Mannschaft ihr Geheimnis auf ganz eigene Art gelüftet – sie hat zweimal verloren. Wagen wir mal eine These: Die Russen kommen nicht. Sie gehen! Jens König
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