"Kohl-Mehrheit beim Sparpaket kippen"

■ Der Landesvorsitzende des DGB Bayern, Fritz Schösser, zu den Sozialkürzungen. Kindergeld für Besserverdienende auch beim DGB auf dem Prüfstand, mehr Spielraum bei Vermögenssteuer nutzen

taz: Die Großdemonstration in Bonn war ein Erfolg. Wie soll es jetzt weitergehen?

Fritz Schösser: Erstmal könnte es dadurch weitergehen, daß sich die Bundesregierung besinnt und das Sparpaket am 27. und 28. Juni absetzt. Aber ich bin nicht so vermessen, das trotz dieser eindrucksvollen Demonstration hoffen zu dürfen. Deswegen planen wir für Bayern für den 27. Juni nochmal eine ganze Reihe von betrieblichen Aktionen. Die Leute werden rausgehen aus den Betrieben, es wird auch verlängerte Mittagspausen geben mit Diskussionen...

Glauben Sie wirklich, das bringt etwas?

Es gibt ja bei uns nach der Gewerkschaftssatzung nicht die Möglichkeit, einen Generalstreik auszurufen. Generalstreik ist etwas, wo man sich auflehnt gegen undemokratische Machthaber. Diese Situation ist natürlich nicht gegeben im Zusammenhang mit einem Sparpaket...

Der Bundeskanzler hat gesagt, er hält in jedem Fall am sogenannten Sparpaket fest.

Der Herr Kohl hat im Bundestag eine Mehrheit von sieben Stimmen für das Sparpaket. Ich kann mir nicht vorstellen, daß in der großen CDU/CSU-Fraktion mit so vielen Abgeordneten unterschiedlicher Herkunft alle diesem Sparpaket zustimmen können. Im Augenblick geht das Ringen darum, diese dünne Mehrheit zu Fall zu bringen. Das ist das Ziel des DGB. Das kürzeste Ziel, auf das wir uns konzentrieren können.

Trotzdem bleibt das vielbeschworene Haushaltsloch. Wo würden Sie denn sparen?

Ich kann das Wort „sparen“ nicht mehr hören. Ich würde erstmal fragen: Für wen spare ich? Die Beitragsabsenkung in der dritten Stufe der Gesundheitsreform beispielsweise ist für die Arbeitnehmer kein Sparen, weil nur der Arbeitgeber spart. Der Arbeitnehmer zahlt aber das, was er weniger an Beiträgen zahlt, später doppelt an Selbstbeteiligung. Bei den Renten zahlen sogar die Arbeitnehmer allein die Zeche. Ich war jetzt bei mehreren Veranstaltungen in Österreich. Da heißt es: Weil jetzt die Deutschen 13 Jahre gespart haben, müssen wir jetzt nach unten nachziehen.

In den Prognosen zur Rente aber heißt es doch immer: die Beiträge steigen zu steil. Deswegen will Blüm die Altersgrenze vorzeitig heraufsetzen.

Das Vorziehen der Altersgrenze bei den Renten ist doch kontraproduktiv. Wenn ich eine Belastung am Arbeitsmarkt von vier Millionen Menschen habe, behalte ich zwar die Frauen länger in der Arbeit, verweigere aber den Jüngeren den Arbeitsplatz und verursache höhere Kosten der Arbeitslosigkeit. Das Vorziehen schafft nur Verwirrung bei Frauen, die sich darauf eingestellt haben, in den nächsten Jahren mit 60 in Rente zu gehen.

Noch einmal: Wo würden Sie kürzen, wenn Sie Bundeskanzler wären?

Ich kann mir vorstellen, daß man wirklich mal eine verfassungskonforme Lösung findet, daß derjenige, der über einer gewissen Einkommensgrenze liegt, nicht mehr Kindergeld bekommt. Ich kann mir auch vorstellen, daß in der Rentenversicherung derjenige, der weniger als 40 Versicherungsjahre hat, Abschläge bekommt, und wer mehr hat, keine Abschläge hinnehmen muß. Man sollte bei den Abschlägen nicht das absolute Zugangsalter nehmen, sondern die Versicherungsjahre. Bei Frauen müßten natürlich Sonderregelungen gelten, die auch die Kinder berücksichtigen.

Der DGB fordert auch höhere Abgaben auf Vermögen.

Die Vermögenssteuer zu streichen, ist Wahnwitz. Alle verschanzen sich immer hinter dem Bundesverfassungsgericht. Das Bundesverfassungsgericht gibt aber die Möglichkeit her, in schwierigen Situationen eines Staates auch das Vermögen heranzuziehen, wenn es darum geht, Probleme zu bewältigen. Der deutsch-deutsche Einigungsprozeß ist durchaus ein Problem. Interview: Barbara Dribbusch