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Keine faulen Tricks beim Umweltschutz

Europäisches Parlament erstreitet beim Europäischen Gerichtshof Grundsatzurteil über die Qualität von Grundwasser. Ministerrat und Kommission müssen sich an Vorgaben halten  ■ Von Christian Rath

Freiburg/Luxemburg (taz) – Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg duldet keine Tricksereien beim EU-Umweltschutz. Auf Klage des Europäischen Parlaments erklärte er gestern den umstrittenen Anhang VI der EU-Pflanzenschutzrichtlinie für nichtig. Dieser technische Anhang unterläuft nach Ansicht des EuGH das erforderliche „hohe Schutzniveau“ für Trink- und Grundwasser.

Um Handelshemmnisse beim europaweiten Verkauf von Pflanzenschutzmitteln abzubauen, hatte die Europäische Union 1991 eine Richtlinie erlassen. Mit ihr sollte erreicht werden, daß die Zulassungsverfahren für Herbizide und Insektenvernichter in der ganzen Gemeinschaft vereinheitlicht würden. Dabei sollte sichergestellt werden, daß in allen Staaten auch Umweltgesichtspunkte berücksichtigt würden. Insbesondere an den Schutz von Trink- und Grundwasser war dabei gedacht. Nähere Festlegungen waren einem Anhang VI zur Richtlinie überlassen. Den wollten allerdings der Ministerrat und die Kommission ohne das Europäische Parlament (EP) erarbeiten.

Erst drei Jahre später hatte der Rat in einer Änderungsrichtlinie diesen Anhang VI tatsächlich eingeführt. Gegen diese Richtlinie klagte das Europäische Parlament.

Umweltschutz gesenkt statt konkretisiert

Das Argument der gewählten Volksvertreter: Der Anhang unterbiete das in der eigentlichen Pflanzenschutzrichtlinie vorgesehene „hohe Schutzniveau“ anstatt es wie vorgesehen zu konkretisieren. Deshalb hätte das Europaparlament erneut beteiligt werden müssen. Dieser Klage gab der Europäische Gerichtshof in einem gestern veröffentlichten Urteil in vollem Umfang statt: Die Änderungsrichtlinie von 1994 ist damit nichtig.

Konkret bemängelte der EuGH zwei Punkte: Der Anhang VI schütze Grundwasser nur, soweit es für den menschlichen Gebrauch vorgesehen ist. Damit wären EU- weit nur 10 Prozent des Grundwassers gemeint. Die Pflanzenschutzrichtlinie fordere jedoch den umfassenden Schutz von Grundwasser. Außerdem sehe Anhang VI auch „bedingte Zulassungen“ in Fällen vor, bei denen die in der strengen EU-Trinkwasserrichtlinie geforderten Höchstkonzentrationen nicht eingehalten werden können. Das EugH fällte damit ein klares Urteil für den Umweltschutz. Gleichzeitig verschiebt sich mit dem Richterspruch auch das Gewicht der EU-Institutionen. Aufgewertet wurde dabei zum einen das Europäische Parlament – denn es kann immerhin mit gewissen Erfolgsaussichten gegen die Tricksereien in derartigen Anhängen klagen.

Gestärkt hat der EuGH aber vor allem seine eigene Rolle. Schließlich entscheidet letztlich er, ob die technischen Details in den Anhängen mit den meist vagen Vorgaben in den eigentlichen Richtlinien übereinstimmen.

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